Beispielkurs | mehrteilige Aufgabenstellung zu einem Erklärvideo
teachSHARE-Kurs zu Veranschaulichung der Verwendung verschiedener Lernplattform-Aktivitäten
Das Lernen mit Erklärvideos bietet eine Möglichkeit, den Schülerinnen und Schülern Inhalte und Prozesse audiovisuell, kompakt und digital aufzubereiten. Das beliebte Medium kann sehr sinnvoll in Lernszenarien integriert werden. In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie mit Erklärvideos im Unterricht einsetzen und so das selbstorganisierte Arbeiten der Schülerinnen und Schüler fördern können.
„Ich kann den Lehrer vor- und zurückspulen, immer wieder anschauen bis ich es verstanden habe und er ist auch beim zehnten Mal noch freundlich. Da verstehe ich es viel besser als im Unterricht.”
So oder so ähnlich könnten Schülerantworten lauten, wenn man sie nach den Vorteilen von Erklärvideos befragt. Da ist es nicht weiter überraschend, dass der Rat für kulturelle Bildung 2019 in seiner Studie zum einen belegte, wie beliebt YouTube ist und zum anderen, wie Schülerinnen und Schüler diese Plattform auch für schulische Zwecke nutzen. Für nahezu alle Fächer und Themen der Lehrpläne gibt es Erklärvideos, manche YouTube-Kanäle zu schulischen Themen genießen einen regelrechten Kultstatus.
Die Gefahr eines Erklärvideos ist jedoch, so der Physikdidaktiker Christoph Kulgemeyer: „Manchmal glaubt man, etwas verstanden zu haben, merkt aber, wenn man das Wissen anwenden soll, dass das gar nicht der Fall ist.“ Das liegt häufig daran, dass Lernenden Erklärvideos wie Kochrezepte nutzen. Das bedeutet, sie versuchen damit schrittweise zu einer Problemlösung zu kommen, ohne die Lösungsstrategie als Ganzes zu überblicken. So eingesetzt sind Erklärvideos eher lernbehindernd statt lernförderlich. Daher ist es notwenig, den Einsatz von Erklärvideos didaktisch fundiert zu planen und diese sinnvoll in den Unterricht zu integrieren.
Dabei steht eine aktive Auseinandersetzung mit den dargebotenen Inhalten der Videos im Fokus. Dazu bietet es sich an, Videos immer mit Begleitmaterial oder zusätzlichen Arbeitsaufträgen zur selbstständigen Überprüfung zur Verfügung zu stellen, etwa über ein Quiz, einen Lückentext, die Gestaltung eines Lerntagebuchs, ein interaktives Video mit H5P oder ähnlichem. Noch effektiver können die Videos eingesetzt werden, wenn sie als Teil einer komplexeren Aufgabenstellung auch Grundlage oder Gegenstand einer intensiven Auseinandersetzung im Rahmen einer echten Problemlösung sind.
Die lernförderliche Wirkung von Erklärvideos ist in vielen Studien nachgewiesen. Ihr volles Potenzial entfallten die Videos aber nur, wenn sie bestimmten Qualitätskriterien entsprechen und sie nicht isoliert sondern im Rahmen umfangreicherer Lernsettings integriert sind. Ein Methode, die mittlerweile vielen Lehrkräften bekannt sein dürfte, ist Flipped Classroom. Hier wird die Erarbeitungsphase der Lerninhalte selbstgesteuert durch das Ansehen von Erklärvideos außerhalb des eigentlichen Unterrichts verlegt. Im Unterricht bleibt so ausreichend Zeit für vertiefende Fragen oder zum Üben.
„Erklärvideos sind kurze Filme, meist aus Eigenproduktion, in denen Inhalte und Sachverhalte definiert und/oder erklärt werden. Beispielsweise kann erklärt werden, wie etwas funktioniert oder wie abstrakte Konzepte und Zusammenhänge dargestellt werden können.”
So definiert Professor Karsten Wolf den Begriff Erklärvideos im Jahr 2015. Diese Defintion hat immer noch weitgehend Gültigkeit, jedoch sind in den letzten Jahren eine Vielzahl an kommerziellen Anbietern von Erklärvideos hinzugekommen, sodass der Zusatz „meist aus Eigenproduktion” nicht mehr ganz zutreffend ist. Auch Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks werden im Stil von klassischen Erklärvideos produziert. Es handelt sich im Grundsatz aber um hochprofessionell hergestellte Inhalte.
Gemeinsam haben sowohl professionell erstellte als auch eigenproduzierte Erklärvideos, dass sie in der Regel ein konkretes Thema in einer relativ kurzen Zeit auf das Wesentliche reduziert darstellen, bzw. eine konkreten Prozess knapp beschreiben. Dabei wird auf verschiedene Darstellungsvarianten zurückgegrifffen. Eine Übersicht über diese unterschiedlichen Arten von Erklärvideos finden Sie hier. Ebenso erhalten Sie Hinweise für die verschiedenen Einsatzzwecke dieser Videos:
Neben Erklärevideos existieren auch eine große Zahl an Unterrichtsfilmen. Auch diese sind mit dem Zweck produziert Lernenden komplexe Inhalte anschaulich näher zu bringen. Jedoch umfassen diese meist mehrere Aspekte eines großen Themas und haben eine längere Abspielzeit. Das ist oft darin begründet, dass bestimmte Inhalte mit filmischen Mittel zusätzlich veranschaulicht werden. So können beispielsweise Unterrichtsfilme für das Fach Geschichte Originalaufnahmen oder nachgestellte Szenen enthalten. Das Format ähnelt oft dem von Fernsehreportagen. Unterrichtsfilme werden entweder von kommerziellen Anbieter oder im Rahmen von Schulfernsehsendungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk speziell für den Unterricht produziert.
Oft eignen sich einzelne Sequenzen solcher Unterrichtsfilme genauso gut für den Unterricht wie ein kurzes Erklärvideo. Dazu sollte aus den Unterrichtsfilmen jedoch ein Ausschnitt hergestellt werden.
In der 11-teiligen Videoreihe präsentieren Fabienne Ennigkeit (Goethe-Universität Frankfurt) und Dennis Nowak (Adorno-Gymnasium/Medienzentrum Frankfurt) theoretische Hintergründe und praktische Umsetzungsmöglichkeiten zum Thema “Erklärvideos”. Die Videoreihe richtet sich sowohl an Lehrende als auch Lernende im schulischen und universitären Kontext.
Die mebis-Mediathek beeinhalte eine Vielzahl hochwertiger Erklärvideos. Zudem finden Sie alle Schulfernsehsendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Unterrichtsfilme, die Ihnen über ihr kommunales Medienzentrum bereitgestellt werden, können über die mebis Mediathek direkt gestreamt werden.
Wolf, K. D. (2015). Bildungspotenziale von Erklärvideos und Tutorials auf YouTube. In Merz 1 (59), S. 30-36.
Wie im vorhergehenden Abschnitt erläutert wurde, kommt es beim Einsatz von Erklärvideos nicht nur auf das Video selbst an, sondern auch um eine didaktisch sinnvolle Einbettung in eine Unterrichtssequenz. Die Methode besteht also nicht darin, den Präsenzunterricht durch ein einzelnes Video zu ersetzen, sondern ein didaktisch zielführendes Lernsetting um dieses Video zu arrangieren.
Das Video als Ergebnissicherung für den „Hefteintrag”: nach dem erfolgreichen Erarbeiten eines neuen Themas, fasst das Erklärvideo alles Wichtige noch einmal zusammen und der Schüler sichert so das Erlernte.
Das Video als prozessbezogene Anleitung zu Beginn einer Unterrichtssequenz: Die Lehrkraft zeigt wie etwas geht, damit die Schülerinnen und Schüler es genauso anwenden können. Dieses Szenario hat seine Grenzen, wenn Inhalte eigentlich von den Lernenden selbst entdeckt oder erarbeitet werden können. (Einsatzbeispiel Mathe: Das richtige Einsetzen in die Mitternachtsformel)
Das Video als Korrekturhilfe: Die Schülerinnen und Schüler haben sich mit einer Aufgabe auseinandergesetzt, ausprobiert und sind zu Ergebnissen gekommen. Nun zeigt die Lehrkraft mit einem Erklärvideo die Musterlösung, so wie sie es selbst gemacht hätte. Damit können dann die eigenen Ergebnisse abgeglichen und verbessert werden.
Das Video als hinführender Impuls: Unterricht wird oft mit einer Aufgabe, einer Problemstellung oder eben einem Impuls schülerzentriert geöffnet. Dies lässt sich auch mit einem Video abbilden. Dieses erklärt dann nicht, sondern aktiviert notwendiges Grundwissen und endet mit der Modellierung einer Aufgabe. Das dazu passende Erklärvideo ist dann erst nach der Erarbeitungsphase verfügbar.
Das Video aus Schülerhand: Am meisten lernen bei einem Video die Erstellenden. Diese müssen sich in der Rolle der Erklärenden begeben und vertiefen so ihr Wissen. Daher bietet es sich immer wieder an, Schülerinnen nach dem Prinzip des „Lernens durch Lehren“ selbst zu Produzenten werden zu lassen.
Um die Aktivität der Lernenden anzuregen und dadurch die Lernwirksamkeit des Einsatzes von Erklärvideos zu erhöhen, bietet es sich an die Videos mit interaktiven Elementen anzureichern. Dies lässt sich beispielsweise mit der H5P-Aktivität interaktives Video leicht in der mebis Lernplattform umsetzen.
Mithilfe entsprechender Videos können Schülerinnen und Schüler dazu angeleitet werden, sich neue Lerninhalte selbstgesteuert anzueignen. Findet die Erarbeitung der Inhalte wie bei der Methode „Flipped Classroom” zuhause statt, schafft diese im Unterricht mehr Raum für Individualisierung und Differenzierung.
Das Erarbeiten, Entdecken und der Austausch der Schülerinnen und Schüler steht bei dieser Methode also im Zentrum des Lernens.
Das Video ist der Begleiter, um dem selbstorganisierten Lernen einen Rahmen zu geben: So wenig erklären wie nötig, so viel Schüleraktivität wie möglich. Sehr viele Unterrichtssequenzen können problemorientiert eröffnet werden, ein Erklärvideo immer vorab wäre daher im Sinne dieser Methode nicht zielführend. Dadurch würde einzig der „Frontalunterricht” in eine digitale Form übertragen.
Schülerinnen und Schüler erlernen das Einsetzen in die Lösungsformel für quadratische Gleichungen mit Hilfe eines Erklärvideos zu Beginn einer Unterrichtssequenz kennen, um es dann genauso nachzumachen. Dies könnte man aber auch entdeckend lösen, dann gäbe es das Erklärvideo nach einer ersten Erarbeitungsphase. Beim Kennenlernen des Thales Kreises wäre es dagegen sinnvoller, Lernende etwa zunächst eigene Versuche mit einem dynamischen Geometrieprogramm machen zu lassen, um selbst Gesetzmäßigkeiten zu entdecken. Das Erklärvideo hätte hier seinen Platz zur Ergebnissicherung.
Schülerinnen und Schüler erhalten einen Text und sollen herausfinden, welche Wirkung dieser hat und wodurch diese erreicht wird. Ein Erklärvideo könnte dann die darin enthaltenen Stilmittel im zweiten Schritt beschreiben. Die Lernenden würden im Anschluss daran aufgefordert, die Stilmittel den Textpassagen zuzuordnen. Man könnte auch überlegen, die Stilmittel an den Beginn der Sequenz zu stellen, beispielsweise als Wiederholung zur Erschließung neuer Stilmittel. Oder man führt ein Thema wie Rechtschreibstrategien mit Hilfe eines Erklärvideos ein.
Auch im Fach Englisch steht eine Textbegegnung im Mittelpunkt. Anhand eines Textes werden etwa neue Vokabeln oder eine neue Zeitform wie das „simple past“ erarbeitet. Ein Erklärvideo vorab wäre daher nicht sinnvoll, dies sollte dann besser am Ende der schülerzentrierten Arbeitsphase in Form einer Ergebnissicherung stehen. Wenn jedoch beispielsweise anhand eines Textes das „past progressive“ erarbeitet wird, könnte man vorab mit einem Erklärvideo zum „simple past“ das dafür notwendige Grundwissen reaktivieren. Oder wenn bei einer Einheit zu einem unbekannten Text der Inhalt in der Unterrichtsstunde im Fokus stehen soll, können wichtige Vokabeln schon in Form eines Erklärvideos vorentlastet und diese dann bei der inhaltlichen Erarbeitung bereits als bekannt vorausgesetzt werden.
Mit mebis Kurzlinks können Sie auf analogen Unterrichtsmaterialien per QR-Code zu Ihren Erklärvideos verlinken. Alternativ können Sie in einer Präsentation über einen Kurzlink den Zugang zum Video ermöglichen.
Die unten aufgeführten Beispiele sollen einen Eindruck vermitteln, wie der Einsatz von Erklärvideos im Unterricht gelingen kann. Ausführlichere Beschreibungen zu den Beispielen finden Sie jeweils in den Beiträgen, die in der Sidebar verlinkt sind.
Der teachSHARE-Kurs Übungskurs Mathe (Quali) ist Schülerinnen und Schülern bei der eigenverantwortlichen Vorbereitung auf den qualifizierenden Abschluss im Fach Mathematik eine Hilfe. Im Kurs werden Erklärvideos zielgerichtet zu einzelnen Aufgaben als individuell einsetzbare Hilfe bei deren Lösung genutzt.
Die Hügel-Schule bietet umfangreiches Material in Form von Erklärvideos, darauf abgestimmte interaktive H5P-Übungen und passenden Aufgaben (analog und digital) für den Einsatz im Mathematikunterricht. Diese sind in verschiedenen Szenarien wie Flipped Classroom oder in I-Pad-Klassen aber auch im klassischen Unterricht für schülerzentrierte Phasen nutzbar.
Im teachSHARE-Kurs Fünf wichtige Regeln zur Kommasetzung wird beispielhaft aufgezeigt, wie eine mehrstufige Aufgabenstellung auf Basis eines Erklärvideos in der mebis Lernplattform umgesetzt werden kann.
Inhalte der mebis Mediathek lassen sich auf verschiedene Weise schnell und unkompliziert in Kursen der Lernplattform einbinden. Im teachSHARE-Kurs Bruchteile von Größen (Beispielkurs | Mediathekinhalte in der Lernplattform) kann nachvollzogen werden, wie dies in einem Selbstlernkurs gelingt.
Die Nachvertonung „Stummer Erklrärvideos“ ist eine einfache Möglichkeit, Lernende kollaborativ arbeiten zu lassen und ihre kommunikativen Kompetenzen während des Erstellungsprozesses eines gemeinsamen Lernproduktes zu vertiefen. Beispielsweise können stumme Versuchvideos von naturwissenschaftlichen Experimenten oder Simulationen nachvertont werden.
Beinahe zu jedem Thema des Lehrplans findet man auf den bekannten Streaming-Plattformen Erklärvideos. Neben der gezielten Suche auf den Plattformen gibt es auch Sammlungen im Internet, mit denen man sich einen ersten Überblick verschaffen kann.
Beim Einsatz von Erklärvideos von Streaming-Plattformen sollte darauf geachtet werden, dass die Nutzungsbedingungen oft erst eine Nutzung ab 16 Jahren (mit Erlaubnis der Erziehungsberechtigeten) erlauben und daher diese Videos lediglich von der Lehrkraft im Unterricht gezeigt werden können und die Videos für jüngere Schülerinnen und Schüler nicht für das eigenständige Erarbeiten verwendet werden können.
In diesem Fall bietet es sich an auf die Angebote in der mebis Mediathek zurückzugreifen. Diese können in allen Phasen des Unterrichts rechtssicher benutzt werden. Informationen zum vielfältigen Angebot der mebis Mediathek finden Sie im Beitrag „Erklärvideos in mebis finden”.
Je nach Bundesland und Schulbuch können die Inhalte oder auch Fachausdrücke bereits bestehender Videos variieren. Es stellt sich also immer auch ein wenig die Frage, ob man mit dem zufrieden ist, was man findet oder ob man doch lieber selbst ein Video erstellt.
Selbst produzierte Erklärvideos haben den Vorteil, dass sie individuell auf die eigene Lerngruppe abgestimmte werden können. Diese Videos sind aber oft nicht „wiederverwertbar” und sind damit mit einem sehr hohen Einzelaufwand verbunden. Daher ist zu empfehlen, dass Sie ihre eigenen Videos so produzieren, dass Sie zum einen Ihren Ansprüchen genügen, sie auf der anderen Seite auch in kommenden Schuljahren oder auch in anderen Klassen wiederverwendet werden können.
Gerne können Sie Ihre Videos auch als Freie Bildungsressource (OER) allen Interessierten kostenfrei zur Verfügung stellen. Was Sie bei der Produktion und Veröffentlichung Ihrer Videos beachten sollten, lesen Sie im Beitrag zum Erstellen eigener Erklärvideos.
Informationen zum Finden und Verwenden vorhandener Erklärvideos finden Sie hier:
Die wichtigsten Grundlagen und hilfreiche Tipps zum Erstellen eigener Erklärvideos können Sie hier nachlese:
Thema im Fokus Lernen mit Erklärvideos (Dezember 2021)
Redaktionelle Leitung
Referat Mediendidaktik am Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München (ISB)
Beitragende
Johannes Almer (ISB)
Jochen Arlt (ISB)
Max Auburger (ISB)
Matthias Bergbauer (ISB)
Elisabeth Folprecht (ISB)
Sebastian Schmidt (mBdB)
teachSHARE-Kurs zu Veranschaulichung der Verwendung verschiedener Lernplattform-Aktivitäten
Erklärvideos müssen sowohl technisch als auch didaktisch für den Einsatzzweck passen. Einen Einblick gibt der folgende Artikel.
Vorstellung des mit dem Deutschen Lehrerpreis 2019 ausgezeichneten Kooperationsprojektes
Das Vertonen stummer Videos ermöglicht Schülerinnen und Schüler komplexe Zusammenhänge sprachlich zu formulieren.
Was hinter dem Konzept steckt und wie sich mebis dafür einsetzen lässt
Erfahren Sie, wie Erklärvideos lernförderlich im Unterricht eingesetzt werden können.