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Gelingensfaktoren für den erfolgreichen Einsatz

Wenn Texte digital gelesen werden, sollten die Potentiale neuer Medien zur Anreicherung und weiteren Unterstützung im Lernprozess ausgeschöpft werden. Dabei ist eine bewusste Reflexion über die Zielsetzung ebenso erforderlich wie die Tatsache, dass das digitale Lesen kleinschrittig angeleitet werden muss, damit die Gelegenheiten zum intensiven Lesen auch wirklich genutzt werden. Mit dem Bewusstsein, dass digitales Lesen mehr in die Breite und weniger in die Tiefe führt, können die Konzepte des analogen Lesens nicht einfach darauf übertragen werden. Stattdessen müssen sie neu gedacht werden.

Folgende Fragen ergeben sich daraus:

  •  Wovon kann ich ausgehen und was muss dementsprechend geschult werden?

  • Welche technische Herausforderungen gibt es?

  • Durch welche didaktischen Überlegungen kann ich den Leseprozess unterstützen?

  • Wie gelingt digitale Textarbeit in allen Fächern?

 

Neue Zieldimensionen der digitalen Textarbeit berücksichtigen

Es ist von einer Heterogenität der Lerngruppen im Umgang mit digitalen Medien auszugehen. Schülerinnen und Schüler bringen in der Regel sehr unterschiedliche Vorerfahrungen und Kompetenzen im digitalen Bereich mit. Daher sind differenzierte Ansätze notwendig. So benötigen einige Lernende stärkere Unterstützung bei der Begegnung mit digitalen Texten, während andere vertiefende Aufgaben bereits selbstständig bearbeiten können.

Darüber hinaus führen die veränderten Modalitäten wie Lesedauer, -intensität und Lesestile beim digitalen Lesen auch zu neuen Zieldimensionen. Schülerinnen und Schüler müssen unter anderem dazu in der Lage sein, aus der sich neu ergebenden Vielzahl an Informationen entsprechend Relevantes zu selektieren, zu gewichten und zu bewerten. Um eine tiefgründigere Beschäftigung mit den Inhalten zu erreichen, ist sowohl ein selbstorganisiertes als auch ein differenziertes Lernen in allen Fächern erforderlich. Dementsprechend können die Lernenden die hierfür notwendigen Fähigkeiten nur durch passende Lese- und Arbeitsaufträge entwickeln und auch nur wenn Materialien lernförderlich zur Verfügung gestellt werden. Des Weiteren müssen Überlegungen zur Bewertung von Ergebnissen (z. B. Leseprodukte) in den Blick genommen werden

Technische Herausforderungen und Möglichkeiten bei der Planung berücksichtigen

Erfahrungsgemäß neigen Schülerinnen und Schüler dazu, in digitales Arbeitsmaterial unnötig hineinzuzoomen. Dadurch geht häufig die Übersicht verloren und es besteht die Gefahr, den Blick fürs Ganze zu verlieren. Zudem verringert sich durch das ständige Vergrößern und Verkleinern sowie das damit verbundene Ablegen des Stifts die Arbeitsgeschwindigkeit bei der Bewältigung von Leseaufträgen.

In diesem Zusammenhang sind folgende Fragen zu bedenken:

  • Können Inhalte (z. B. im Vergleich zu einem DinA4 Blatt) durch die festgelegte Bildschirmgröße dennoch lernförderlich abgebildet werden?

  • Trifft dies auch bei unterschiedlichen Größen von Endgeräten der Lernenden zu?

  • In welchen Fällen macht es Sinn, die Bildschirmansicht mehrfach zu belegen? (z.B. copy-paste zur Sicherung von Rechercheergebnissen)

  • Wann sollten digitale und analoge Materialien parallel zur Verfügung gestellt werden? (z.B. Schulbuch und Heft bzw. Textblatt und digitales Tool zur Erstellung eines Leseprodukts)

  • Inwiefern müssen Inhalte an das aktuelle Kompetenzniveau der Schülerinnen und Schüler hinsichtlich Schwierigkeit, Umfang etc. angepasst werden?

  • Welche digitalen Werkzeuge können die adressatengerechte Anpassung von Texten erleichtern? (z. B. KI, RATTE-Tool)

  • Sind die Bildschirmelemente relativ zur Bildschirmauflösung skaliert und positioniert? (sog. „fluide Layout“)

  • Sind Schriftgröße, Buchstaben- und Zeilenabstand ausreichend?

  • Werden (linksbündiger) Flattersatz sowie Leerzeilen oder Einrückungen zur besseren Lesbarkeit verwendet?

  • Wird ein (horizontales) Scrollen durch eine angemessene Zeilenlänge (nicht mehr als acht Wörter) vermieden?

  • Können Textinhalte durch passende Bilder veranschaulicht werden?

Gelingt es, die technischen Gegebenheiten an die jeweilige Zieldimension anzupassen, wird bei den Lernenden der Lesefluss während der Erarbeitung nicht unterbrochen und der Leseprozess kann effektiver gestaltet werden.

Verweis auf #lesen.bayern???????

Weitere didaktische Überlegungen mit einbeziehen

 Der Blick fürs Ganze wird den Lernenden auch oftmals durch die Materialfülle der digitalen Medien erschwert. Daher sind Überlegungen hinsichtlich einer lernförderlichen Materialbereitstellung bzw. einer bewussten Auswahl notwendig:

  •  Inwiefern passe ich „die weite Welt der Texte“ dem Lern- und Leistungsstand meiner Schülerinnen und Schüler an?

  • Wie kann ich den Zugriff auf Informationen einschränken und steuern?

  • Wie leite ich die Lernenden kleinschrittig an? (Gezielte Rechercheaufträge, ausgewählte Lesestrategien usw.)

  • Sollen bestimmte Lesestrategien schwerpunktmäßig trainiert werden? (z. B. Skimming, Scanning)

  • Wie gelangen die Lernenden zu einer vertieften Erschließung des Inhalts (z. B. durch bewusste Verlangsamung des Leseprozesses, mehrfaches Lesen von Passagen etc.)?

  • Welche Medien sollen miteinander kombiniert werden und wie stelle ich sie zur Verfügung? (parallel, als Verlinkung, editierbar)

 Werden all diese Fragen in der Unterrichtsplanung aller Fächer berücksichtigt, bewirkt das auf Dauer eine permanente Metakognition beim Lernenden. Somit erfolgt eine deutliche Erleichterung für die Schülerinnen und Schüler Texten aller Art begegnen zu können.

Digitales Lesen als Aufgabe für alle Fächer

Leisen betont, dass Lesen in der Schule keine alleinige Aufgabe des Sprachunterrichts ist. Im Sinne eines sprachsensiblen Unterrichts sollte das Lesen deshalb in allen Fächern aktiv gefördert werden.

Lesesituationen in allen Fächern

Kein Unterricht kommt ohne Texte aus – dementsprechend bieten sich in allen Fächern vielfältige Lesesituationen. Hierbei handelt es sich um den gezielten Einsatz von Sachtexten mit einer spezifischen Leseabsicht. Typische Lesesituationen sind zum Beispiel: 

  • Informationssuche durch selektives Lesen: Schülerinnen und Schüler suchen gezielt Informationen in einem Abschnitt des Lehrbuchs, um diese in der weiteren Unterrichtsphase zu nutzen. 

  • Thematische Erarbeitung durch intensives Lesen: In arbeitsteiliger Gruppenarbeit erschließen sich die Lernenden eigenständig neue Inhalte, halten Stichpunkte auf einer Folie fest und präsentieren die Ergebnisse im Plenum.

Herausforderungen bei der Nutzung von Fachtexten 

Sachtexte zeichnen sich durch fachsprachliche Komplexität und multimodale Darstellungsformen aus. Neben Text enthalten sie häufig Diagramme, Grafiken, Tabellen, Formeln und weitere visuelle Elemente, die parallel zum Text erfasst werden müssen. Leisen weist darauf hin, dass dies das Verstehen sowohl erschweren als auch erleichtern kann, je nachdem, wie sicher die Lesenden im Umgang mit diesen Darstellungsformen sind. Einerseits erfordern Fachtexte spezielle Kompetenzen, um alle Elemente zu erfassen. Andererseits können visuelle Unterstützungen das Textverständnis fördern und den Leseprozess erleichtern. 

Viele Fachbegriffe (z. B. „kondensieren“) sind abstrakt und bleiben für Schülerinnen und Schüler oft schwer vorstellbar, was das Verständnis erschwert. 

Gerade in den Naturwissenschaften, wo komplexe und technische Zusammenhänge abstrakt beschrieben werden, benötigen Lernende ein hohes Maß an Lesekompetenz sowie fachliches Vorwissen. Daher ist es wichtig, dass Lehrkräfte vor dem Lesen das Vorwissen aktivieren und die Verbindung neuer Informationen zu bestehenden Wissensstrukturen unterstützen.

Flüssiges Lesen bildet die Basis für das Verstehen von Texten. Dazu gehören automatisierte Worterkennung, Lesegenauigkeit, angemessene Lesegeschwindigkeit und ausdrucksstarkes Vorlesen. Wer noch Schwierigkeiten beim flüssigen Lesen hat, muss kognitive Ressourcen auf das Entschlüsseln der Worte verwenden, was das Textverständnis behindert. Deshalb sind gezielte Lesestrategien notwendig, die helfen, Texte zu strukturieren, relevante Informationen zu erkennen und Verknüpfungen zwischen Text und weiteren Darstellungsformen herzustellen.

Mit dem Bewusstsein, dass (digitale) Texte eine hohe Komplexität aufweisen, müssen metakognitive Kontrollstrategien in allen Fächern eingeübt und auf lange Sicht gefestigt werden. Sie erlauben es Lernenden, ihr Leseziel im Blick zu behalten, gezielt Inhalte auszuwählen und Ablenkungen entsprechend bewusst zu vermeiden. Ein typischer Arbeitsauftrag wie „Recherchiert mal!“ verdeutlicht dies. Denn für eine erfolgreiche Umsetzung ist es erforderlich, dass die Lernenden in der Lage sind, die erlernten Strategien anzuwenden.

Um Schülerinnen und Schüler optimal auf die komplexen Anforderungen der digitalen und zunehmend textbasierten Welt vorzubereiten, ist das Engagement aller Lehrkräfte und damit verbunden eine fächerübergreifende Zusammenarbeit von Bedeutung. Jede Lehrkraft sollte demnach die Grundlagen des (digitalen) Lesens kennen und im Rahmen eines gemeinsamen Austauschs erweitern.

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