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Arbeiten mit narrativen Ankern: Anchored Instruction

In diesem Beitrag lernen Sie den Anchored Instruction Ansatz kennen. Es handelt sich dabei um ein wissenschaftlich erprobtes Modell des Instruktionsdesign als Lehrmethode. Insbesondere wird erläutert, auf welchen Gestaltungsprinzipien die Arbeit mit narrativen Ankern beruht.

An einem Praxisbeispiel wird außerdem aufgezeigt, wie dieses Modell lernwirksam und motivationsfördernd im Unterricht Anwendung finden kann.

fliegendes Schiff ankert
© istock.com/fona2

Grundlagen des Instruktionsdesigns

Bei der Gestaltung multimedialer Lernumgebungen ist eine Vielzahl didaktischer Entscheidungen zu treffen, die je nach Rahmenbedingungen und Lerninhalt unterschiedlich ausfallen können. Eine Grundlage für die Entwicklung multimedialer Lernumgebungen bildet das Instruktionsdesign, das seit Anfang der 1950er Jahre wissenschaftlich fundierte Aussagen zur effektiven Konzeption von Lernarrangements liefert. Instruktionsdesign (auch Instructional Design oder kurz ID) basiert auf pädagogisch-psychologischen Prinzipien, die systematisch und vor allem differenziert auf die jeweilige Lernumgebung angewendet werden. Unter „Instruktion“ ist „jedes systematische Arrangement von Umgebungsbedingungen, das geeignet ist, Kompetenzen zu fördern“ (Resnick, 1987, S. 51 zitiert nach Niegemann, 2008, S. 17) zu verstehen.

Die ersten Modelle des Instruktionsdesign orientierten sich am Kognitivismus und waren stark instruktionalistisch, so dass häufig nur „träges Wissen“ erzeugt wurde. Dieses ist weder nachhaltig, noch ermöglicht es Transferleistungen und außerdem lässt es sich nicht ohne Weiteres auf die Lösung realistischer Probleme anwenden.

Als in den 1990er Jahren der Konstruktivismus als Leitgedanke Einzug erhält, werden neue Modelle des Instruktionsdesigns entwickelt, die das „situierte Lernen“ in den Mittelpunkt rücken und das Lernen an „möglichst authentischen Problemsituationen“ (Strittmatter, P. & Niegemann, H. (2000), S. 26) ermöglichen.

Symbolbild Lernen mit Kind im Profil
© istock.com/Author

Anchored Instruction – ein Modell konstruktivistischen Instruktionsdesigns

Ein Modell des konstruktivistischen Instruktionsdesigns ist der Anchored Instruction Ansatz. Zentrales Merkmal der Anchored Instruction ist ein narrativer Anker, der Interesse wecken und Aufmerksamkeit auf das Wahrnehmen und Verstehen der gestellten Probleme lenken soll. Die gegebenen Problemsituationen stellen dabei komplexe, aber nachvollziehbare Kontexte in narrativer Form dar, die unterschiedliche Fachbereiche tangieren und variable Perspektiven bieten.

Erste wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirksamkeit der Methode wurden Anfang der 1990er Jahre von der Forschergruppe Cognition and Technology Group at Vanderbilt durchgeführt. Mit Hilfe der Abenteuergeschichten des Jasper Woodbury konnte die Lernwirksamkeit des Einsatzes eines narrativen Ankers zur Steigerung von Interesse und Motivation bewiesen werden (Cognition and Technology Group at Vanderbilt, 1991).

Die Geschichten des Jasper Woodbury sind Bestandteil einer Lernumgebung zur Lösung mathematischer und anderer Problemstellungen und wurden nach sieben Gestaltungsprinzipien konzipiert (Strittmatter, P. & Niegemann, H. (2000), S. 29)

  1. Verwendung audiovisueller Medien, wie z. B. Filmen

  2. Narrative Struktur, d.h. Einbettung der Aufgaben und Problemstellungen in eine zusammenhängende Geschichte

  3. Generatives Lösen von Problemen, das oft interdisziplinär erfolgt

  4. Einbettung aller relevanten Informationen in die Geschichte

  5. Sinnvolle Komplexität der narrativen Struktur

  6. Jeweils zwei Geschichten zur gleichen Thematik zur Förderung des abstrieherenden Denkens

  7. Herstellung von Verknüpfungen zwischen verschiedenen Wissensdomänen

Das Modell schafft auf diese Weise geeignete Bedingungen zum selbstgesteuerten Erwerb neuer Fähigkeiten und Fertigkeiten. Der Medieneinsatz, zum einen die Arbeit mit einem Film als narrativen Anker und zum anderen das Agieren in einer Lernumgebung, wirkt motivierend und ermöglicht den Zugang zu neuen Erfahrungsbereichen.

fliegendes Schiff ankert
© istock.com/fona2

Zusatzinformation

Bevor die Abenteuer des Jasper Woodbury als zentrales Element der Lernumgebung entwickelt wurden, konzipierte die Cognition and Technology Group at Vanderbilt ein Lernszenario rund um den Film “Young Sherlock Holmes” von Produzent Steven Spielberg.

Weiterentwicklung

Eine von Schwartz, Lin, Brophy und Bransford (1999) entwickelte Erweiterung des Modells für die Konzeption flexibel adaptiver Lernumgebungen zielt besonders auf eine verbesserte Problemlösefähigkeit sowie Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit ab. Dabei soll zunächst problembasiert, dann projektbasiert gearbeitet und gelernt werden.

Diese Weiterentwicklung des Anchored Instruction Ansatzes hat außerdem zum Ziel, individuell auf das Wissen der Lernenden einzugehen, ihnen Hilfen zur Analyse und zur Reflektion ihres Lernfortschritts anzubieten sowie den Lernenden bei der Setzung eigener Ziele und zum selbstregulierten Lernen anzuleiten.

Kritik am Modell

Kritik am Anchored Instruction Ansatz äußern Gallenbacher und Heun (2013), da die Entwicklung von Lernmaterialien gemäß den Kriterien des Anchored Instruction Ansatzes sehr aufwendig ist: Zunächst muss für die authentische Lernumgebung geeignetes Filmmaterial produziert werden. Dieser Aufwand ist für den Unterricht in der Schule meist nicht zu leisten.

Dass die Arbeit mit narrativen Ankern in einer komplexen situierten Lernumgebung dennoch interessensgemäß und motivationsfördernd gelingen kann, zeigt folgendes Beispiel für den Mathematikunterricht an Realschulen und Gymnasien (Jahrgangsstufe 9 und 10).

Praxisbeispiel

NCIS - dem Täter auf der Spur

Das NCIS ist ein Team von Neugierigen-Creativen-Intelligenten-Schülerinnen und Schülern, die in ihrem Schulalltag komplexe Aufgaben meistern oder knifflige Fälle lösen müssen. Mit ihrem Wissen unterstützt das Team die Schulleitung, wenn diese nicht mehr weiter weiß.

Die Lernenden sollen im Rahmen eines Kurzkrimis den Zusammenhang zwischen Schrittlänge und Körpergröße ermitteln. Dabei kommt Fitting mit Tabellenkalkulation und Gnuplot zum Einsatz.

 

© istock.com/drogatnev (bearbeitet)

Link zum teachShare-Kurs

Praxisbeispiel

Smartphone | Breakout

In dem als digitales Breakout konzipierten teachSHARE-Kurs erarbeiten sich die Lernenden selbstständig wichtige Informationen über Datenströme und deren Missbrauch auf ihren Smartphones. Im vorgestellten Kurs wurde versucht Elemente der Anchored Instruction mit Elementen eines digitalen Breakouts zu kombinieren. Daraus ergab sich ein problembasierter Ansatz, der auf der Grundlage einer Rahmenhandlung die Lernenden dazu motivieren soll, sich eigenständig mit den Inhalten des Kurses auseinanderzusetzen, um die gestellten Aufgaben und Rätsel lösen zu können.

Zur Vermittlung der Rahmenhandlung werden gemäß dem Modell der Anchored Instruction kurze Filme verwendet. Auf Überblicksseiten sammeln die Lernenden Informationen, die sie benötigen, um Aufgaben zu bearbeiten. Bei erfolgreicher Lösung der Aufgaben erhalten sie Hinweise auf das Lösungswort, mit dem sich das Schloss eines Abschnitts öffnen lässt.

Nach erfolgreicher Eingabe des Lösungswortes wird den Lernenden eine Ziffer des Entsperrcodes über ein Video präsentiert, und so die „Geschichte weitererzählt“. Nach der erfolgreichen Eingabe des Entsperrcodes wird die Rahmenhandlung mit einem kurzen Video zum Abschluss gebracht.

unsplash.com/Rami Al-zayat

Link zum teachShare-Kurs

Literatur

Gallenbacher, J. & Heun, D. (2013). Ein moderner Ansatz für Anchored Instruction im Informatikunterricht. In Informatik erweitert Horizonte, 15. GI-Fachtagung „Informatik und Schule” (INFOS 2013). Bonn: Köllen., S. 87-96.

Niegemann, H. et al. (2008). Kompendium multimediales Lernen. Berlin: Springer, S. 17-40.

Strittmatter, P. & Niegemann, H. (2000). Lehren und Lernen mit Medien: Eine Einführung. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. S. 7-39.

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