Hate Speech - Erklärungsansätze und Wirkungsmechanismen
Wie und wo entsteht Hate Speech, welche Mechanismen verstärken die Verbreitung und wie wird das Phänomen strategisch genutzt?
Hate Speech ist ein politischer und kein juristischer bzw. rechtlicher Begriff. In der deutschen Rechtsprechung wird lediglich zwischen zulässiger und unzulässiger Meinungsäußerung unterschieden. In der Regel kann Hate Speech daher mit den einschlägigen Straftatbeständen im StGB (Strafgesetzbuch) verfolgt und geahndet werden. (Vgl. Klicksafe, 2019)
Im schulischen Kontext ist es auch relevant, den rechtlichen Rahmen bei Hate Speech-Äußerungen durch Lernende und Lehrende zu betrachten. Bei Schülerinnen und Schülern stellt sich aufgrund des Alters oft die Frage, ob diese überhaupt strafmündig sind. Für verbeamtete Lehrende kann es neben der strafrechtlichen Ahndung zu weiterreichenden dienstlichen Disziplinarmaßnahmen kommen.
Hate Speech stellt keinen eigenen Straftatbestand dar.
Je nach Vergehen kommen verschiedene Straftatbestände für eine Ahndung in Frage (Zusammenstellung nach AJS NRW):
Die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen ist verboten. Dabei kann es sich um Parolen, Grußformeln, Symbole, aber auch Musik handeln.
Die Aufforderung zur Begehung einer rechtswidrigen Tat ist strafbar, wenn dies öffentlich, in einer Versammlung oder durch das Verbreiten eines Inhalts geschieht. Die Strafbarkeit ist auch gegeben, wenn die Tat anschließend nicht begangen wird.
Der Tatbestand der Volksverhetzung kommt zum Tragen, wenn jemand gegen eine Person oder Personengruppe, aufgrund deren Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder Religion, zum Hass aufstachelt oder zur Gewalt aufruft. Die Tat muss dabei geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören.
Der Paragraf verbietet darüber hinaus die öffentliche Billigung, Leugnung, Verharmlosung oder Verherrlichung von Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dies umfasst auch Äußerungen, die dazu dienen, Hass gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen aufgrund von Rasse, Ethnie, Religion, Nationalität oder anderen Merkmalen zu schüren.
Unter Beleidigung versteht man einen Angriff auf die Ehre einer Person durch Kundgabe von Missachtung.
Damit sind Äußerungen verboten, die die Ehre oder den Ruf einer Person verletzen oder sie verächtlich machen. Wenn die Beleidigung rassistische, fremdenfeindliche oder diskriminierende Elemente enthält, kann sie als Hate Speech eingestuft werden.
Die üble Nachrede bezieht sich auf die Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen über eine Person, mit dem Ziel deren Ruf zu schädigen. Die falschen Behauptungen müssen zudem geeignet sein, den Ruf der betroffenen Person herabzusetzen und eine gewisse Öffentlichkeitswirkung haben.
Strafbar ist hier das Verbreiten verächtlich machender Tatsachen, sofern diese nicht nachweislich der Wahrheit entsprechen.
Bei einer Verleumdung wird eine ehrverletzende Lüge in voller Absicht verbreitet. Im Gegensatz zum Straftatbestand der üblen Nachrede, muss hier gerichtlich nachgewiesen werden, dass dem Verbreiter der Nachricht klar war, dass es sich um falsche Aussagen handelt, er diese aber trotzdem verbreitet hat.
Von Nötigung spricht man, wenn jemand eine andere Person gegen ihren Willen zu einem bestimmten Verhalten veranlasst. Auch der Versuch einer Nötigung ist strafbar
Die Bedrohung kennzeichnet sich durch Androhung einer Straftat gegen eine andere Person oder eine ihr nahestehenden Person. Wird die Tat öffentlich (z. B. auf einer öffentlich einsehbaren Facebook-Seite) begangen, gilt ein höheres Strafmaß.
Grundsätzlich gilt: Wenn eine Straftat im Internet oder in Sozialen Netzwerken begangen wird, kann der Strafrahmen höher angesetzt werden, da die Tat dann öffentlich begangen wird. Mit dem Inkrafttreten des Gesetztes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität am 03. April 2021 wurde zudem das Strafrecht angepasst, um dem Phänomen Online Hate Speech besser gerecht zu werden.
Freiheitliche demokratische Staaten zeichnen sich durch ein Recht auf freie Meinungsäußerung aus. Damit soll in erster Linie die Meinungs- und Informationskontrolle durch staatliche Stellen verhindert werden. In Deutschland wird dies durch das Grundgesetz garantiert.
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Die Meinungsfreiheit unterliegt somit auch Einschränkungen. Nämlich, wenn durch die Meinungsäußerungen Gesetze oder die Rechte anderer verletzt werden. Strafrechtlich relevante Inhalte sind also nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt. (Vgl. Brings-Wiesen, 2017; Klicksafe, 2019)
Gewinnorientierte soziale Netzwerke einer bestimmten Größe sind durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) mittlerweile verpflichtet strafrechtlich relevante Inhalte und damit auch Hate Speech vorab auszufiltern oder zu entfernen. Populisten und Extremisten verweisen hier gerne darauf, dass Unternehmen die Inhalte bestimmter gesellschaftlicher Strömungen gezielter und rigoroser kontrollieren würden, als es eigentlich notwendig wäre. Sie sehen ihre Meinungsfreiheit dadurch eingeschränkt. (Vgl. Apostel, 2019)
Der Medienstaatsvertrag (MStV) enthält daher weitergehende Sicherungsmaßnahmen zur Herstellung von Transparenz und Sicherung der Meinungsvielfalt.
Hier erfahren Sie, welche Maßnahme die Betreiber großer Plattformen zum Schutz der User vor Fake News umsetzen.
Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Kinder und Jugendliche wegen Hate Speech-Delikten zur Verantwortung gezogen werden. Hierbei muss die strafrechtliche Verantwortbarkeit von der zivilrechtlichen Haftung unterschieden werden. (Vgl. Brings-Wiesen, 2019)
Eine Person gilt als strafrechtlich verantwortlich, wenn sie zum Zeitpunkt der Tat das 14. Lebensjahr vollendet hat. Allerdings muss die Schuldfähigkeit positiv festgestellt werden (§ 3 JGG).
Sittliche Reife bezieht sich auf die Fähigkeit eines Jugendlichen, Werte zu internalisieren, die es ihm ermöglichen, den ethischen Gehalt von Geboten und Verboten nachzuvollziehen.
Geistige Reife bezieht sich auf die Fähigkeit eines Jugendlichen, zwischen „gut” und „schlecht” zu unterscheiden.
Einsichtsfähigkeit bedeutet, dass der Jugendliche geistige und ethische Reife besitzt. Er muss das materielle Unrecht seiner Tat erkennen können. Er muss wissen, was Recht bedeutet und warum etwas verboten ist und somit auch erkennen können, dass sein eigenes Verhalten schädlich ist.
Handlungsfähigkeit bezieht sich darauf, dass der Jugendliche in der Lage ist, entsprechend seiner Einsicht zu handeln und nicht durch kindliche Triebe und Reize abgelenkt wird.
Neben dem Strafrecht gibt es auch noch eine zivilrechtliche Haftung, die im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt ist.
Hier gelten folgende Altersgrenzen:
„Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.“
„Wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist, sofern seine Verantwortlichkeit nicht nach Absatz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.“
In Bayern sind Lehrkräfte zu einem hohen Anteil im Beamtenverhältnis tätig. Aufgrund des Beamtenstatus kann Hate Speech hier ggf. nicht nur strafrechtliche, sondern auch disziplinarrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die Vorfälle müssen sich dabei nicht zwangsläufig während der tatsächlichen Dienstzeit ereignet haben.
Im Folgenden finden Sie eine Auflistung der wichtigsten Regelungen im BeamtStG (Beamtenstatusgesetz):
Beamtinnen und Beamte haben die Pflicht, sich durch ihr gesamtes Verhalten - d. h. inner- und außerdienstlich - zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten.
Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.
Lehrerinnen und Lehrer müssen, um ihre Aufgabe der Erziehung und Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen erfüllen zu können, bei Eltern, Schülerinnen und Schülern und in der Öffentlichkeit das notwendige Ansehen, die Autorität sowie das Vertrauen in die korrekte Amtsführung besitzen. Sie müssen in ihrer gesamten Lebensführung, also innerhalb und außerhalb des Dienstes, durch regelgerechtes Verhalten Vorbild sein.
Bei Verstößen gegen die Dienstpflichten können disziplinarrechtliche Maßnahmen getroffen werden. Auch außerdienstliches Verhalten kann als Dienstvergehen geahndet werden, falls dadurch das Vertrauen in das Amt in besonderem Maße beeinträchtigt wird. Auch Ruhestandsbeamtinnen und -beamte können aufgrund von Dienstvergehen belangt werden.
Verstößt eine Beamtin oder ein Beamter gegen ihre/seine Dienstpflichten, kann ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden. Je nach Schwere des Dienstvergehens kommen dabei unterschiedliche Disziplinarmaßnahmen zum Tragen.
Ein schriftlicher Tadel, der durch den Dienstherrn ausgestellt wird.
Der Dienstherr kann eine einmalige Geldbuße bis zur Höhe der monatlichen Dienstbezüge auferlegen.
Die Dienstbezüge des Beamten können um höchstens ein Fünftel für einen maximalen Zeitraum von drei Jahren gekürzt werden. Während der Kürzung kann keine Beförderung stattfinden.
Bei einer Zurückstufung erfolgt eine Versetzung in eine niedrigere Besoldungsgruppe. Über einen Zeitraum von 5 Jahren darf keine Beförderung stattfinden.
Die Entfernung aus dem Dienst ist die schwerwiegendste Disziplinarmaßnahme. Sie kommt nur zum Einsatz, wenn das Vertrauen des Dienstherren oder der Allgemeinheit durch die Dienstvergehen endgültig zerstört ist.
Mit dem Eintritt in den Ruhestand besteht das besondere Verhältnis zum Dienstherren weiter. Auch Beamtinnen und Beamte im Ruhestand können daher disziplinarrechtlich belangt werden.
Die Ruhegehaltsbezüge können um höchstens ein Fünftel für einen maximalen Zeitraum von fünf Jahren gekürzt werden.
Die Ruhestandsbeamtin oder der Ruhestandsbeamte verliert seinen Anspruch auf Versorgung.
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