Bewegungsanalyse im Sportunterricht
„Guter Sportunterricht sollte dazu verhelfen, durch Reflexion zu einem tieferen Verständnis des Sich-Bewegens zu kommen“ (Wolters, Klinge, Klupsch-Sahlmann und Sinning., S. 71). Die Funktion „Kamera“ ermöglicht in diesem Zusammenhang im Sportunterricht sowohl Schülerinnen und Schülern als auch Lehrerkräften, sich mit dem Geschehen unmittelbar oder auch zeitversetzt auseinandersetzen. Zugleich stellt sie in Aussicht, eine individualisierte und differenzierte Feedback-Kultur zu etablieren, da Bewegungsabläufe vorgeführt, verglichen, diskutiert sowie taktische Vorgehensweisen besprochen werden können.
- Was benötigt man? Materialbedarf und technische Anforderungen
- Wie leitet man an? Aufgabenstellung für Lernende
- Worauf sollte man achten? Tipps und Hinweise für die Lehrkraft
Materialbedarf und technische Anforderungen
Tablet mit Stativ (Schutzhülle/-folie, Stativ, Tablet-Halterung für Stativ)
Smart-TV mit Screen Mirroring auf einem rollbaren TV-Ständer (ggf. Kasten mit Standfuß etc., z. B. mit Miracast, Chromecast oder Airplay bzw. über eine bereits integrierte Funktion des Smart-TVs)
Je nach Zielsetzung können unterschiedliche Apps zum Einsatz kommen:
○ zur Aufnahme und Speicherung des Bewegungsablaufs mit anschließendem Feedback am Endgerät bzw. Smart-TV --> Möglichkeit der wiederholten Betrachtung
○ zur Aufnahme und zeitversetzter Betrachtung des Bewegungsablaufs mit anschließendem Feedback am Smart-TV durch Lernende bzw. die Lehrkraft. --> einmalige Betrachtung (anschließend: automatische Löschung)
Aufgabenstellung für Lernende (hier: zeitversetzte Betrachtung)
1. Aufnahme und Einrichtung des „Sets“
Das Einrichten des „Sets“ sollte beim ersten Mal über die Lehrkraft erfolgen und den Schülerinnen und Schülern demonstriert werden. Wenn die Lernenden den technischen Aufbau vornehmen, empfiehlt es sich, maximal drei bis vier Lernende damit zu beauftragen:
Baut das Stativ samt Tablet-Halterung auf und montiert das Gerät darauf.
Wählt einen geeigneten Standort für das Stativ, der es euch ermöglicht, den gesamten Bewegungsablauf zu filmen.
Wählt ebenso einen geeigneten Standort (u. a. in der Nähe einer Steckdose), an dem eure Mitschülerinnen und Mitschüler sich ihr Feedback am Smart-TV abholen können; die Laufwege dorthin sollten nicht zu weit gewählt werden.
Verbindet das Tablet mit dem Smart-TV und wählt anschließend die entsprechende App aus.
Kontrolliert am Smart-TV, ob der zu filmende Bereich abgedeckt wird. Achtet u. a. auf eine freie Übungsfläche und ggf. die Lichtverhältnisse und den Hintergrund.
Legt Hütchen (oder andere Markierungshilfen) um das Stativ und den Aufnahmebereich, um ein Umstoßen des Stativs zu verhindern und einen freien Aufnahmebereich zu gewährleisten.
Stellt mithilfe der App die zeitversetzte Aufnahmefunktion ein: „Start“ zu Beginn des Bewegungsablaufs und „Stopp“ am Ende der Betrachtung der Bewegung. Hierzu absolviert eine Schülerin oder ein Schüler die gestellte Bewegungsaufgabe, geht anschließend zum Smart-TV und holt sich dort ihr oder sein Feedback ab.
2. Aufgabenstellung für die oder den Übenden
Stelle dich auf die Startposition (ggf. Markierungshilfe auslegen).
Führe die Bewegung „xy“ aus.
Gehe anschließend zum Smart-TV und hole dir dein Feedback ab.
Übe schließlich auf Grundlage der Rückmeldung weiter und hole dir ein erneutes Feedback ab.
3. Mögliche Formen des Feedbacks
Vor der Bewegungsausführung erhält die Schülerin oder der Schüler eine Bewegungsaufgabe mit Beobachtungsschwerpunkt, führt die Bewegung aus und betrachtet sich anschließend im Smart-TV im Hinblick auf den Beobachtungsschwerpunkt und beurteilt sich selbst. Anschließend übt er bzw. sie weiter oder erhält einen neuen Beobachtungsschwerpunkt.
Vor der Bewegungsausführung erhält die oder der Lernende eine Bewegungsaufgabe mit Beobachtungsschwerpunkt, führt die Bewegung aus, betrachtet sich anschließend im Smart-TV und bekommt im Gespräch mit der Lehrkraft eine Rückmeldung zum Beobachtungsschwerpunkt.
Die Schülerin oder der Schüler übt einen Bewegungsablauf und wird währenddessen von der Lehrkraft beobachtet. Anschließend kommt sie oder er zum Smart-TV und die Lehrkraft weist kurz vor dem Ansehen der Bewegung auf einen zentralen Beobachtungsschwerpunkt hin, der gemeinsam reflektiert wird.
Bei erfahreneren Schülerinnen und Schülern können auch diese selbst das Feedback geben, indem sie die Rolle der Lehrkraft einnehmen. Hierzu bietet es sich an, wesentliche Beobachtungsmerkmale vorab besprochen zu haben und z. B. in Form einer Bildreihe zu fixieren.
Vorteile der Methode
Entwicklung und Etablierung einer Feedbackkultur im Fach Sport unter Einbezug digitaler Medien (auch unter Berücksichtigung von Lerntheorien, hier z. B. das Modelllernen nach Bandura)
Unmittelbares Feedback nach einer Bewegungsausführung, das v. a. den visuellen Analysator anspricht und somit unterschiedliche Lerntypen bedient und damit deutlich lernfördernder ist als lediglich in mündlicher Form (Vermeidung einer rein akustischen Rückmeldung; vgl. Modelllernen)
Unmittelbares Feedback, auch ohne Rückmeldung einer Lehrkraft (qualitative Rückmeldung im Rahmen des selbstständigen Übens)
Differenzierungsmöglichkeit innerhalb der Lerngruppe: Die Lehrkraft kann einerseits mit einer Teilgruppe üben, während andererseits Lernende dennoch eine Rückmeldung erhalten (siehe oben).
Durchgängige Einsetzbarkeit in allen Sportarten (z. B. Leichtathletik: Hochsprung, Gerätturnen: Einzelbewegungen oder Bewegungsverbindungen, Basketball: Korbleger uvm.)
Drahtlose Übertragung vom Tablet auf das Smart-TV: keine unnötigen Kabel oder zu viele Endgeräte in der Sporthalle
Einfache, unkomplizierte Handhabung und Aufbau der Geräte
Je nach App: keine Datenspeicherung der Aufnahme auf dem Endgerät, da diese unmittelbar nach dem Ansehen automatisch gelöscht wird.
Tipps und Hinweise für die Lehrkraft
Der Einsatz digitaler Medien dürfte den Schülerinnen und Schülern im Breitensport nicht unbekannt sein. Was den Sportunterricht als solchen betrifft, ist die Zuhilfenahme digitaler Endgeräte für einen Großteil der Lernenden sicherlich ungewohnt, da diese dort bisher eher selten Einzug erhalten haben. Daher bietet es sich zunächst an, kleinschrittig und lehrerzentriert bei der Einführung und Anwendung digitaler Produkte im Sportunterricht vorzugehen, wodurch auch die korrekte Handhabung der entsprechenden Geräte sichergestellt und dadurch Akzeptanz bei den Lernenden für den Einsatz geschaffen wird.
Auch wenn die Digitalität Einzug in alle Lebensbereiche erhält, so darf nicht vergessen werden, dass das Fach Sport das einzige Bewegungsfach in der Schule ist und die sportliche Betätigung mit hoher Bewegungszeit an sich im Vordergrund der Unterrichtsstunde stehen sollte.
Die derzeitige Auswahl an sinnvollen Apps für den Einsatz im Sportunterricht ist recht groß, dabei jedoch recht unübersichtlich und nicht zwingend von Dauer. Zudem sind nicht immer alle Apps kostenfrei, weshalb unter Umständen Alternativen gesucht werden müssen.
Die Wahl des Standortes von Kamera und Smart-TV sollte gezielt entsprechend der Intention der Lehrkraft ausgewählt werden. Dabei rücken unter anderem folgende Fragen in den Fokus: Will ich einen kurzen oder langen Laufweg zum Smart-TV generieren, um gegebenenfalls Ballungen zu vermeiden und Schülergruppen zu entzerren? Sollen auch andere Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, den Bewegungsablauf anzusehen?
Literatur:
Wolters, P., Klinge, A., Klupsch-Sahlmann, R. und Sinning, S. (2009). Was ist nach unserer Vorstellung guter Sportunterricht? Sportunterricht, 58/3, S. 67-72. Zugriff am 21.03.2023. Verfügbar unter: http://www.fssport.de/texte/SUgut.pdf
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