Medienproduktive Aufgabenformate und Künstliche Intelligenz
KI-Tools sind heute bereits in der Lage, in wenigen Sekunden teilweise beeindruckend hochwertige und vielfältige Medienprodukte zu erstellen. Es ist zu erwarten, dass ihre Qualität mit der weiteren Entwicklung der KI kontinuierlich und rasch zunimmt. Warum also noch Medienprodukte im Unterricht selbst erstellen lassen, wenn Maschinen diese Aufgabe übernehmen können? Wie lässt sich mit Endprodukten umgehen, die sich kaum von Schülererzeugnissen unterscheiden oder diese in sprachlicher, optischer und inhaltlicher Hinsicht sogar übertreffen? Diese Entwicklungen werfen grundlegende Fragen für die Gestaltung von Lernprozessen auf und machen eine Neubetrachtung medienproduktiver Aufgabenformate im Unterricht unerlässlich.
Aufgabenstellungen im Spannungsfeld der KI-Möglichkeiten
Aktuelle Studien (z. B. Jugend, Information, Medien. JIM-Studie, 2024 oder Vodafone Stiftung. Europäische Schülerbefragung zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz, 2025.) deuten darauf hin, dass eine signifikante Anzahl, wenn nicht bereits die Mehrheit der Jugendlichen an weiterführenden Schulen KI schulisch oder außerschulisch nutzt. Damit stellt sich für Lehrkräfte die Herausforderung, Aufgaben so zu formulieren, dass Lernende KI zwar als Werkzeug einsetzen und dessen Nutzung reflektieren, die eigentliche kognitive und kreative Leistung, die die Lernziele adressiert, aber nicht vollständig von der KI erledigt werden kann.
Gleichzeitig bietet sich die Chance, den reflektierten Umgang mit KI bewusst als Bestandteil des Lernprozesses zu integrieren. Die Reflexion des KI-Einsatzes kann durch begleitende Dokumentationen (z.B. Prompt-Protokolle, Aufzeichnung von Bearbeitungsschritten, Vergleiche von KI-Entwürfen mit Eigenleistungen), gezielte Reflexionsfragen oder kurze Statements der Schülerinnen und Schüler zur Rolle der KI in ihrer Arbeit gefördert und beispielsweise in die Präsentation des Ergebnisses oder einen separaten Reflexionsbericht eingebunden werden. Richtet sich der Fokus daher ausschließlich auf das Endprodukt und vernachlässigt den Entstehungsprozess, lassen sich die eingangs gestellten Fragen kaum zufriedenstellend beantworten. Entscheidend ist folglich weniger die Frage, ob KI-Tools im Unterricht altersgerecht genutzt werden sollten, sondern vielmehr die Klärung, wie und zu welchem Zweck sie einzusetzen sind. Ziel muss es sein, KI methodisch-didaktisch sinnvoll in den eigenen Erstellungsprozess zu integrieren, um die Qualität der Medienprodukte im Sinne einer tieferen inhaltlichen Auseinandersetzung und bewussteren Gestaltung zu steigern und gleichzeitig einen kompetenten, kritischen sowie ethisch reflektierten Umgang mit der Technologie anzuleiten.
Folgende Aspekte sollten bei der Konzeption medienproduktiver Aufgaben unter Berücksichtigung der KI-Möglichkeiten bedacht werden:
Führt die Nutzung der KI allein zu einem Ergebnis, das die intendierten Lernziele ohne hinreichende Eigenleistung der Lernenden erreicht, oder muss die Aufgabenstellung so modifiziert werden, dass die KI als unterstützendes Werkzeug dient, aber die Kernleistung bei den Schülerinnen und Schülern verbleibt?
In welcher Form soll die aktive Auseinandersetzung mit der KI (z.B. Prompt-Engineering, kritische Prüfung der KI-Ergebnisse, iterative Verbesserung) und die Reflexion darüber expliziter Bestandteil der Aufgabenstellung und der Bewertung sein?
Wie soll die Nutzung der KI bei der Erstellung des Lernprodukts dokumentiert werden?
Welche spezifischen Kompetenzen im Umgang mit KI (z.B. KI-Literacy, Verständnis für ethische Implikationen, kritisches Denken gegenüber KI-generierten Inhalten, Prompting-Fähigkeiten) sollen durch die Aufgabenstellungen gefördert werden?
Inwiefern soll die Aufgabenstellung die Nutzung der KI gezielt anleiten?
Welche Kompetenzen im Umgang mit KI bringen die Lernenden bereits mit?
Welche Fragen und Aufgabenstellungen unterstützen eine kritische Reflexion über die Möglichkeiten, Grenzen, Chancen und Risiken (z.B. Bias, Desinformation, Urheberrecht, Datenschutz) der KI-Nutzung?
Welche KI-Tools können den Lernenden datenschutzkonform (und unter Berücksichtigung ethischer Aspekte (z.B. Transparenz der Modelle, ökologischer Fußabdruck) zur Verfügung gestellt oder empfohlen werden?
Begleitung durch die Lehrkraft: Lernende befähigen, Künstliche Intelligenz kompetent und reflektiert einzusetzen
Bei der Bearbeitung einer medienproduktiven Aufgabe können Lernende auf unterschiedliche Weise KI-Tools einsetzen:
Zum Erschließen/Erklären von Inhalten
Zur Ideenfindung und Strukturierung ihrer Gedanken
Bei der sprachlichen Überarbeitung eigener Texte
Zur Visualisierung von Inhalten durch das Erstellen von Bildern
Zur Erstellung spezifischer Elemente eines Medienprodukts (z.B. Generierung von Bild-, Audio-, Videoelementen, Entwurf von Layouts) oder dessen Gesamtgestaltung.
Als individuelle Unterstützung, zum Beispiel in Bezug auf die sprachliche Vereinfachung von Texten, Übersetzung usw.
Um formatives Zwischenfeedback zu Aspekten wie Struktur, Sprache oder Argumentation einzuholen
Diese unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten sollten gemeinsam mit den Lernenden erprobt, angewendet und vor allem kritisch reflektiert werden.
Die Lehrkraft nimmt hierbei eine zentrale Rolle ein: Sie vermittelt den Lernenden zunächst ein grundlegendes Verständnis der Funktionsweise von KI sowie ihrer Chancen und Grenzen. Dabei ist es wichtig zu verdeutlichen, dass KI-gestützte Tools nicht eigenständig „denken“, sondern auf Basis von Algorithmen und durch die Analyse großer Trainingsdaten Muster erkennen und auf dieser Grundlage Vorschläge generieren – häufig ohne echtes Kontextverständnis oder kritische Bewertung und potenziell beeinflusst durch implizite Verzerrungen (Bias) in den Trainingsdaten. Darüber hinaus unterstützt die Lehrkraft die Lernenden dabei, KI-Tools gezielt und sinnvoll in ihre Arbeitsprozesse zu integrieren, etwa bei der Ideenfindung, Textüberarbeitung oder Visualisierung. So wird ein prozessorientierter Einsatz gefördert, der Lernprozesse bereichern und Ergebnisse verbessern kann, die über eine rein manuelle Vorgehensweise hinausgehen oder diese effizienter gestalten.
Ein ebenso wichtiger Aspekt ist die Anleitung zur kritischen Auseinandersetzung mit KI-Ergebnissen. Die Lehrkraft sensibilisiert die Lernenden dafür, KI-generierte Inhalte und deren Entstehungsprozess zu hinterfragen (z.B. durch Analyse der verwendeten Prompts und iterativer Anpassung), potenzielle Fehler, Manipulationen und Verzerrungen zu erkennen und eigenverantwortlich zu entscheiden, wann und wie der Einsatz von KI sinnvoll und verantwortungsvoll ist.
Tipps für die Begleitung zur kompetenten KI-Nutzung
Vereinbaren Sie verbindliche Standards und Verfahren dafür, wie KI-unterstützt erstellte oder KI-generierte Inhalte transparent kenntlich gemacht und die Nutzung von KI-Tools (inkl. Prompts und ggf. Nachbearbeitungsschritte) nachvollziehbar dokumentiert wird.
Integrieren Sie regelmäßige Reflexionsphasen, in denen die Lernenden ihre Interaktion mit der KI sowie die Ergebnisse kritisch bewerten und begründen, wie und warum sie bestimmte KI-gestützte Vorschläge übernommen, verändert oder verworfen haben!
Prüfen Sie Möglichkeiten, die Nutzung von KI-Werkzeugen überlegt und schrittweise in Ihren Unterrichtsalltag zu integrieren.
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Mit einer berühmten/historischen Persönlichkeit chatten
KI kann genutzt werden, um in einer authentischen Form verschiedene Persönlichkeiten der Vergangenheit und Gegenwart zu befragen und diese besser kennenzulernen. Zur Sicherung des Gelernten bieten sich unterschiedliche Lernprodukte wie die Gestaltung eines Steckbriefes oder das Erstellen eines Interviews an.
Erstellung eines Steckbriefes/ Zeitleiste -
Mit einer berühmten/historischen Persönlichkeit chatten
Mögliche Variation für Gymnasium:
Schülerinnen und Schüler entwickeln anhand des Dialogs einen Steckbrief zu dem Philosophen. Dabei müssen sie selbst 3-4 passende Oberpunkte finden.
Mögliche weiterführende Reflexionsfragen:
Erörtere, Chancen und Grenzen des Dialogs mit einer historischen Figur als Chat-Bot.
Vergleiche Kants Antworten mit dem folgenden Originaltext des Philosophen. Finde Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Original und Chat-Bot.
Nenne Vor- und Nachteile davon, dass der KI-Bot in einem zeitgemäßen Deutsch spricht.
Nimm aus Kants Perspektive dazu Stellung, ob es „Kant-Chat-Bots“ geben sollte.
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Inhalte mit KI-Bildern visualisieren
Das Generieren von Bildern zu einem bestimmten Thema setzt voraus, dass dieses zuvor auch verstanden wurde. Nur dann können die Lernenden ihre Vorstellungen adäquat beschreiben und von der KI als passende Bilder erzeugen lassen.
Aufgabenstellung zum Erstellen einer Bildfolge mit KI -
Inhalte mit KI-Bildern visualisieren
Texte durch das Generieren von Bildern erschließen -
Ein eigenes Quiz mithilfe von KI erstellen
Als Abschlussaufgabe zu einem Thema ist das Erstellen eines Quizes zu den gelernten Inhalten denkbar. Die Schülerinnen und Schüler können KI in diesem Zusammenhang nutzen, um unkompliziert verschiedene Aufgabentypen zu generieren und ein Lösungsmuster zu erstellen.
Ein Quiz zu bekannten Inhalten erstellen lassen -
Fehlerschwerpunkte identifizieren und gezielt üben
Mithithilfe von KI können eigene Medienprodukte, insbesondere schriftlicher Art, korrigiert und überarbeitet werden. Obendrein können Fehlerschwerpunkte ermittelt und gezielte Übungen mit künstlicher Intelligenz erstellt werden, um diese individuellen Fehler künftig zu reduzieren.
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Fehlerschwerpunkte identifizieren und gezielt üben
KI als Überarbeitungshilfe bei der Textproduktion -
KI als Schreibhilfe verwenden
Als Autorenersatz ist KI dazu in der Lage, Texte annähernd im Stile namenhafter Schriftsteller zu eigens ausgewählten Themen zu verfassen. Durch einen Abgleich mit Originaltexten erfahren die Lernenden stilistische Gemeinsamkeiten und Unterschiede und arbeiten so typische Gestaltungsmerkmale heraus, die sie wiederum für eigene Schreibprodukte nutzen.
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KI-Feedback für eigene Texte nutzen
Auf verschiedenen Plattformen können Lehrkräfte Kriterien für die Bewertung eines Produkts bzw. einen Erwartungshorizont einzupflegen. Lernende können im Anschluss eigene Texteingaben vollziehen und sich Feedback von der KI geben lassen. Dabei sollte ihnen jedoch bewusst sein, dass KI-Feedback niemals in der Ausführlichkeit und Passgenauigkeit erfolgen kann, wie es durch die eigene Lehrkraft der Fall wäre. Umgekehrt kann die Lehrkraft nicht leisten, jeden einzelnen Schülertext zu bewerten. Daher kann KI durchaus eine passable Möglichkeit für Zwischenfeedback sein, damit sich Lernende selbstständig verbessern können.
KI als Rückmeldemöglichkeit zur individuellen Verbesserung nutzen -
Argumentationsfähigkeiten ausbauen
KI bietet durch den Chat eine gesprächsähnliche Möglichkeit, in welcher Argumente authentisch vorgebracht und diskutiert werden können. Dadurch werden möglich Ideen für eine schriftliche Argumentation angeregt und können ausprobiert werden.
KI als Gesprächspartnerin nutzen
KI als Unterstützung für Lehrkräfte bei individuellem Feedback
Für den Lernprozess ist regelmäßiges und differenziertes Feedback sowohl auf das Lernergebnis als auch auf den Lernprozess notwendig. Auch im Hinblick auf Rückmeldungen können KI-Tools gezielt genutzt werden, um den Feedbackprozess für die Lehrkraft zu unterstützen. So können Lehrkräfte beispielsweise KI-gestützte Analysewerkzeuge einsetzen, um Texte der Schülerinnen und Schüler auf sprachliche Korrektheit, Argumentationsstruktur oder Verständlichkeit hin zu prüfen. Diese ersten Analysen können als Grundlage für personalisiertes, fundiertes Feedback dienen, das gezielter auf individuelle Stärken und Schwächen eingeht. Darüber hinaus ermöglichen KI-basierte Tools wie automatisierte Textzusammenfassungen oder Systeme, die erste Entwürfe für Feedback generieren können (Feedback-Generatoren), eine zeitökonomische Unterstützung bei der Rückmeldung, insbesondere bei umfangreichen Arbeiten oder in größeren Lerngruppen. Wichtig dabei ist, dass die von KI generierten Analysen oder Feedbackvorschläge nicht unkritisch übernommen werden, sondern von der Lehrkraft kompetent interpretiert, reflektiert, angepasst und gegebenenfalls erweitert wird– insbesondere in Bezug auf pädagogische Sensibilität, Kontextbezug und den tatsächlichen Lernstand der Schülerin oder des Schülers.

Du bist Lehrkraft. Formuliere ausgehend von folgendem Notizen und dem Bewertungsraster eine wertschätzende Rückmeldung für einen Schüler in 4 bis 5 Sätzen, die ein Feedforward beinhaltet und formal der Note 2 entspricht.
Schülername, eure Inszenierungsidee überzeugt durch eine kreative Aktualisierung des Stücks, besonders im Hinblick auf das Thema „Social Media“ und die Verfremdung der Götterfiguren. Eure Präsentation war klar strukturiert, sprachlich präzise und durch die ansprechend gestalteten Folien gut nachvollziehbar. Besonders positiv ist aufgefallen, wie souverän du auf die Nachfragen reagiert und eigene Überlegungen reflektiert hast. Für zukünftige Präsentationen wäre es gewinnbringend, die Reflexion zum Einsatz von KI noch ausführlicher darzustellen und visuell zu stützen, um eure Arbeitsweise noch transparenter zu machen. Insgesamt eine überzeugende Leistung – mach weiter so!