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Einführung des Doppelstundenprinzips

Die Einführung einer 1:1-Ausstattung bringt bei der Unterrichtsentwicklung einige neue Impulse mit sich. So kann es angebracht sein, vom traditionellen Modell von Unterrichtsstunden, die 45 Minuten dauern, abzuweichen. Dadurch ergeben sich einige spannende Möglichkeiten, die Lehren und Lernen neu denken lassen. Im folgenden Text erfahren Sie exemplarisch, wie an einem Gymnasium das Doppelstundenprinzip etabliert wurde, welche Bedenken es gab und welche Erfahrungswerte man bis heute hat. 

„Ein Doppelstundenschüler hat höchstens fünf verschiedene Fächer pro Tag, oftmals nur drei. Die Umstellung auf den 90-Minuten-Rhythmus bedeutet neben einer größeren Freiheit in der Unterrichtsgestaltung auch leichtere Schulranzen, weniger Raumwechsel für Schülerinnen und Schüler bzw. Lehrkräfte und weniger oft Umschalten von Mathe auf Englisch auf Biologie auf Musik … Trotz langer Schultage können unsere Schülerinnen und Schüler am Nachmittag noch gut zu Sport- und Musikstunden gehen, da es Hausaufgaben von einem auf den anderen Tag nahezu nicht mehr gibt und sie sich die Vorbereitung so besser einteilen können.“ 

Christina, Lehrerin an einem Gymnasium

Wie wird das Konzept an Ihrer Schule umgesetzt?

Wir haben uns für eine Veränderung der Stundenplanstruktur entschieden und die neue Gestaltung des Zeitablaufs wurde vom Schulforum diskutiert und beschlossen. Der Erwerb von prozessbezogenen und problemlösungsorientierten Kompetenzen gewinnt immer mehr an Bedeutung, sodass wir bei uns an der Schule mittlerweile ein differenziertes Doppelstundenmodell mit einem erhöhten Anteil an Doppelstunden haben. Drei- bzw. fünfstündige Fächer machen es teilweise jedoch notwendig, dass auch Einzelstunden in den Schultag eingebaut werden. Nach einem ersten 90-Minuten Block folgt eine 20-minütige Pause. Es schließt sich ein zweiter 90-Minuten-Block an. Nach einer 15-minütigen Pause kommt dann der dritte 90-Minuten-Block. Kleine Pausen zwischen den Doppelstunden werden nicht durch einen Pausengong verkündet. Innerhalb einer solchen Einheit kann eine kleine Pause je nach Unterrichtssituation variabel eingebaut werden, um prozessorientierte und experimentelle Phasen zu ermöglichen.

 

Was war der Anlass für diese Entwicklung?

Unterrichtstage mit bis zu zehn verschiedenen Fächern an einem Tag, verbunden mit mehrfachem Raumwechsel und schweren Schultaschen wurden von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften gleichermaßen als zunehmend hektisch und belastend wahrgenommen. Der Wunsch nach einer Entschleunigung des Alltags verbunden mit einer Optimierung der effektiven Arbeitszeit in den einzelnen Fächern und einer erleichterten Vorbereitung für die Schülerinnen und Schüler auf den kommenden Schultag, da weniger Fächer vorbereitet werden müssen, wurde immer größer. Positive Erfahrungen mit Doppelstunden in Fächern wie Sport, Kunst, Natur und Technik oder auch in der Oberstufe haben dazu beigetragen, den Schritt hin zum Doppelstundenprinzip zu wagen.

 

Welche Vorteile sehen Sie bei diesem Modell?

Organisatorische Vorteile:

Pädagogische Vorteile:

  • Wechsel von Klassen- bzw. Fachräumen nur noch in den großen Pausen

  • Leichtere Schultaschen für Schülerinnen und Schüler

  • Mehr Ruhe im Klassenverband und im Schulgebäude

  • Verdichtung des Stundenplans für Kollegen

 

  • Mehr Zeit für Unterricht zur Verfügung, da „Organisationszeiten“ zu Beginn jeder Einzelstunde wegfallen

  • Muße und Raum für soziales Lernen

  • Weniger Zeitdruck im Unterricht

  • Moderner, projektorientierter Unterricht möglich

  • Experimentalunterricht wird erleichtert, z. B. in den Naturwissenschaften

  • Methodenwechsel ergeben sich automatisch

  • Unterricht wird deutlich stärker schülerzentriert und immer weniger lehrerzentriert

  • Maßnahmen der Binnendifferenzierung werden erleichtert

  • Intensivere Förderung einzelner Schülerinnen und Schüler durch den Wechsel von Arbeitsformen möglich

  • Ruhigere Arbeitsatmosphäre, die ggf. auch zu einem verbesserten Kontakt zwischen Lehrern und Schülern führt

  • Konzentration auf weniger Fächer (Schüler) bzw. Klassen (Lehrer) hat lernpsychologischen Vorteil

  • Vorbereitung des Schultags für Lehrer und Schüler ökonomischer

  • Längere Schreibphasen oder auch Übungsphasen sind möglich

  • Entlastung von Hausaufgabenzeit durch Übungsphasen in der Schule

  • Hausaufgaben beschränken sich auf weniger Fächer, können daher ggf. umfangreicher sein und bringen so mehr Lernertrag

  • Öffnung der Schule nach außen (externe Partner, Aufsuchen außerschulischer Lernorte) erleichtert

Welche Nachteile haben Sie vor der Einführung diskutiert?

Schulfreie Tage und Fortbildungen oder Erkrankungen einer Lehrkraft und der damit verbundene Unterrichtsausfall an einem Tag in der Woche führen ggf. dazu, dass der Fachlehrer seine Lerngruppe nur einmal in der Woche oder für zwei Wochen gar nicht sieht. Außerdem kann es zu einer Überlastung in bestimmten Jahrgangsstufen und Fächern durch 90-Minuten-Unterrichtsstunden kommen. Kontinuierliches Lernen wird dadurch sicherlich erschwert.

Gerade beim Erlernen einer neuen Fremdsprache ist es notwendig, möglichst häufig innerhalb einer Woche mit der neuen Sprache konfrontiert zu werden. Auch das kann durch Doppelstunden nur schwer berücksichtigt werden. Zusätzlich muss eine Verlängerung der Schulstunden auf 90 Minuten mehr methodische Abwechslung mit sich bringen – vom Gespräch zur Gruppenarbeit, zur Präsentation oder Diskussion. Hier muss auch die Bereitschaft der Lehrkräfte vorhanden sein, den eigenen Unterricht zu überdenken und ggf. umzugestalten.

 

Haben sich diese bestätigt?

Nein, unsere Bedenken haben sich nicht bestätigt. Das Doppelstundenmodell trägt zu einer wohltuenden Rhythmisierung des Unterrichtstages bei und Konzentration und Entspannung stehen dadurch in einem ausgewogenen Verhältnis. Sobald sich die Schülerinnen und Schüler auf fachliche Fragestellungen eingelassen haben, kann der Unterricht einerseits entspannt und andererseits konzentriert fortgeführt werden. Die Schüler sind größtenteils besser auf die einzelnen Fächer vorbereitet und einzelne Ausfälle können durch Stundentausch oder Verschiebungen gut kompensiert werden. Auch die längeren Phasen ohne bestimmte Unterrichtsfächer haben sich nicht als Nachteil herausgestellt.

 

Häufig wird folgender Punkt genannt: „Man kann seltenere Hausaufgaben aufgeben, dadurch üben die Schüler weniger!“ Wie stehen sie zu der Aussage?

Übungsphasen können ausgezeichnet in den Unterricht eingebaut werden, da mehr Zeit zur Verfügung steht (weniger Verlust durch Organisatorisches in Einzelstunden, Raumwechsel, …). Hausaufgaben können ja nach wie vor gestellt werden. Da die Schülerinnen und Schüler nicht so viele Fächer auf den nächsten Schultag vorbereiten müssen, investieren sie mehr Zeit in das jeweilige Fach und somit ist die Übung auf jeden Fall nach wie vor gegeben.

 

Verändert das Doppelstundenprinzip die Unterrichtsplanung? Welche Möglichkeiten gibt es da?

Sicherlich ist es notwendig, den eigenen Unterricht zu überdenken und ggf. umzustrukturieren. Folgende Modelle sind denkbar:

  • Doppelstunden als zwei Einzelstunden

    Man plant jeweils eine Einzelstunde (mit Lernziel, Einstieg, ..., Abschluss) etwa so, wie sie auch bei Einzelstunden an verschiedenen Tagen aufeinanderfolgen würden.

  • Doppelstunden als verlängerte Einzelstunden – „Mehr-Phasen-Prinzip“

    Die Doppelstunde wird als eine Einheit geplant. Dabei wird darauf geachtet, dass sich Phasen der selbstständigen Schülerarbeit und Arbeit im Klassenverband „sandwichartig“ abwechseln, da sowohl längere Gruppenphasen als auch längere Frontalphasen ineffektiv sind. Auch Phasen der individuellen Verarbeitung eines Inhalts müssen bewusst eingeplant werden.

  • Doppelstunde mit besonderen Materialien bzw. Medien

    Die Verwendung von kommerziell angebotenen Übungsblättern und -heften, Lernspielen usw. ist bei der begrenzten Übungszeit einer Einzelstunde oft nicht möglich. Bei einer Doppelstunde bietet sich der Einsatz solcher Zusatzmaterialien zur Auflockerung der Übungsphase an.

  • Doppelstunden mit manuellen Tätigkeiten, Produkterstellung oder anderer Lernort

    Bei einer Einzelstunde sind bestimmte Methoden bzw. Lernformen schon wegen der Zeitknappheit schlicht nicht möglich. Dazu gehören insbesondere Schülerexperimente und die Herstellung eines Produktes, die jetzt gut in den Unterricht integriert werden können.

 

Wie sind sie bei der Einführung vorgegangen? 

Ausgehend von den Erfahrungen einzelner Fachschaften, die schon länger Doppelstunden hatten, wurden die Vor- und Nachteile bzw. auch die Konsequenzen mit allen Mitgliedern der Schulfamilie in verschiedenen Konferenzen beschlossen. Wichtig war die Entscheidung, dass Doppelstunden der Regelfall sind und Einzelstunden nur in begründeten Ausnahmefällen möglich sind. Die Praxiserfahrungen wurden von einer Projektgruppe begleitet und nach einiger Zeit auch evaluiert.

Was würden sie anderen Schulen raten, die sich auf den Weg machen wollen?

Bei der Einführung einer so starken Umstrukturierung ist es notwendig, das gesamte Kollegium einzubeziehen und auch Pro und Contra mit den einzelnen Fachschaften zu diskutieren. Zusätzlich sollte auch das Schulforum über das Vorhaben informiert werden, sodass ggf. auch Bedenken von Eltern berücksichtigt werden können. Das Doppelstundenprinzip sollte für alle Klassen und alle Fächer eingeführt und Ausnahmen wirklich nur in begründeten Fällen genehmigt werden, um hier Verwirrung und Chaos zu verhindern. Nach Möglichkeit wäre es wünschenswert, eine Gleichverteilung über die Woche bei vierstündigen Fächern möglichst zu beachten.

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