Zu Inhalt springen Zu Fußbereich springen

Ein Blick in die Praxis – Erfahrungen der Versuchsschulen

Im Rahmen der wissenschaftlichen Erhebungen zum Schulversuch „Private Handynutzung an Schulen“ wurden die Schulleitungen und verantwortlichen Lehrkräfte der insgesamt 135 Versuchsschulen auch zu den Zielen vor Versuchsstart sowie zu den Erfahrungen am Ende der zweijährigen Erprobung befragt. Im Folgenden werden ausgewählte Ergebnisse, die für die Einführung schuleigener Regelungen für die private Nutzung digitaler Endgeräte hilfreich erscheinen, vorgestellt.

 Zusammenfassung

Die große Mehrheit der befragten Schulleitungen und zuständigen Lehrkräfte bewertet die Einführung schuleigener Regelungen zur privaten Nutzung digitaler Endgeräte äußerst positiv. Der Vergleich mit den Äußerungen vor Versuchsstart zeigt außerdem, dass sich die angegebenen Gründe für die Erfolgsbewertung des Schulversuchs im Wesentlichen auch mit den Zielsetzungen vor Versuchsbeginn decken. Insgesamt ist dabei lediglich eine leichte Akzentverschiebung von einer Steigerung der Medienkompetenz (vor Versuchsbeginn) zu einem besseren Schulklima (am Versuchsende) zu verzeichnen. Diese Beobachtung zeigt, dass gerade die Verbesserung des Schulklimas durch das (gemeinsame) Erarbeiten und Implementieren der schuleigenen Regelungen von vielen Befragten als der wohl positivste Aspekt empfunden wird.

Hinführung

Im Wesentlichen lassen sich nahezu alle Äußerungen der Befragten in Bezug auf die Erwartungen vor Versuchsbeginnsowie die (positiven) Erfahrungen mit schuleigenen Regelungenam Ende des Schulversuchs folgenden vier Kategorien zuordnen:

  • Zeitgemäßheit

  • Praktikabilität

  • Medienkompetenz

  • Schulklima

Insgesamt bewertete die große Mehrheit der Schulleitungen und zuständigen Lehrkräfte den Schulversuch in der Abschlussbefragung als Erfolg.

Im Folgenden sollen die Erwartungen (vor dem Schulversuch) sowie die Erfahrungen der Schulleitungen und verantwortlichen Lehrkräfte (nach dem Schulversuch) anhand von ausgewählten Einzeläußerungen aufgezeigt und inhaltlich noch etwas näher beleuchtet werden.

Hinweis: Wortwolke wird passend zum Farbschema neu erstellt! © WordART

Aspekt Schulklima

Am Ende des Schulversuchs betonten die Befragten besonders häufig, dass sich durch den Schulversuch das Schulklima deutlich verbessert habe und sie diesen gerade deshalb als erfolgreich bewerten. Auch wenn der Aspekt „Schulklima“ schon vor Versuchsstart in vielen Freitextäußerungen zu den Erwartungen an den Schulversuch angesprochen wurde, so ist hier dennoch eine (kleine) Akzentverschiebung von der Entwicklung der Medienkompetenz (vor Versuchsstart) zum verbesserten Schulklima (am Ende des Schulversuchs) erkennbar.

„Ich erhoffe mir eine höhere Akzeptanz und Beachtung einer Regelung bei den Schülerinnen und Schülern sowie breite Mehrheiten in Eltern- und Lehrerschaft für die Neuregelung.“

„Ich wünsche mir, dass alle Beteiligten, die diese Ordnung ja erarbeitet haben, sich dann daranhalten, ganz einfach, weil sie am Entscheidungsprozess beteiligt sind.“

„Die Bedürfnisse aller Mitglieder in der Schulfamilie konnten insoweit befriedigt werden, als dass ein sinnvoller und tragfähiger Kompromiss festgeschrieben wurde.“

„Durch den Schulversuch haben wir jetzt eine entspanntere Atmosphäre an der Schule durch Verringerung der Konflikte zwischen Lehrern und Schülern.“

„Ich sehe den Erfolg in der Zusammenarbeit der Schulfamilie, der großen Akzeptanz bei allen Beteiligten und der Zufriedenheit der Lehrpersonen.“

Aspekt Praktikabilität

Die Auswertung der Abschlussbefragung zeigt deutlich, dass viele Schulleitungen und zuständige Lehrkräfte die schuleigenen Regelungen im schulischen Alltag gut umsetzbar empfanden. Dieser Aspekt wurde auch mehrfach explizit als Erfolgsgrund genannt. Hier zeigt sich ein nahezu deckungsgleiches Bild im Vergleich zu den Erwartungen vor Versuchsstart. Außerdem kann zusätzlich wohl von einer engen Vernetzung der Kategorie „Praktikabilität“ mit dem Aspekt „Schulklima“ ausgegangen werden: Insgesamt weniger Konflikte rund um das Thema Handynutzung wirken sich schlussendlich auch merklich auf das als deutlich verbessert empfundene Schulklima aus.

„Ich erwarte die Formulierung von klareren Regelungen und Eröffnung von positiven Nutzungsmöglichkeiten bzw. Schaffung von Freiräumen (…).“

„Ich erhoffe mir die Entwicklung klarer und (weitgehend) durchsetzbarer Regelungen sowie einen etwas (!) verantwortungsvolleren Umgang der Schülerinnen und Schüler mit Handys.“

„Ich erhoffe mir, einen ‚Mittelweg‘ zu finden, der auch in der Praxis umsetzbar ist und die Risiken der ‚Unkontrollierbarkeit‘ gering hält.“

„Ich erhoffe mir weniger Konflikte zwischen Lehrern und Schülern und eine Abnahme der heimlichen/verbotenen Nutzung.“

„Es gab für Schüler und Lehrer weniger Unannehmlichkeiten bzgl. der Benutzung von privaten Mobiltelefonen im Schulhaus. Die Regeln sind weitgehend akzeptiert und werden eingehalten. Es waren weniger Erziehungsmaßnahmen notwendig.“

„Der Umgang mit der privaten Handynutzung ist jetzt in einer kontrollierbaren Weise geregelt.“ 

„Die Schülerinnen und Schüler nahmen das neue Angebot an und hielten sich mehrheitlich an die neue Regelung. Endlich gibt es eine einheitliche Handhabe bei Verstößen.“

„Ich sehe den Erfolg des Schulversuchs in unseren klaren Regeln, die für die Schüler transparent sind. Das Handy bekommt bestimmte Funktionen im Schulalltag, die auch dem Lernen dienen. Zugleich haben wir weniger Verstöße.“

Aspekt Medienkompetenz

Aus den Äußerungen am Ende des Schulversuchs kann deutlich abgeleitet werden, dass die Befragten mehrheitlich der Meinung sind, die Medienkompetenz habe sich im Zusammenhang mit dem Schulversuch und der oft begleitend initiierten flankierenden medienpädagogischen Maßnahmen verbessert. Die Erwartungen vor Versuchsstart wurden demnach erfüllt.

„Ich erhoffe mir eine Stärkung der digitalen Bildung, die Erhöhung der Nutzungskompetenz, aber auch der Sensibilität und Sicherheit im Umgang mit Daten und digitalen Werkzeugen.“

„Ich erwarte eine Stärkung der Eigenverantwortung und Eigenkontrolle der Schülerinnen und Schüler sowie einen eigenständigen sinnvollen Umgang der Schülerinnen und Schüler mit digitalen Medien.“

„Den Schülerinnen und Schülern soll ein verantwortungsbewusster Umgang mit den digitalen Speichermedien beigebracht werden. Dies gelingt nicht durch konsequentes Verbieten von Medien, die zum Alltag der Kinder und Jugendlichen gehören. Wir regeln die Nutzung während der Schulzeit und mögliche Konsequenzen bei Zuwiderhandlung.“ 

„Schülerinnen und Schüler sollen lernen, ihr Handy innerhalb der von der Schule vorgegebenen Rahmenbedingungen gezielt und verantwortungsbewusst zu nutzen. Dies soll auch der Vorbereitung an die Bedingungen in der Arbeitswelt dienen.“

„Es kam zu einem natürlicheren Umgang mit den Endgeräten und zur Aufdeckung von Kompetenzlücken, sodass die Schülerinnen und Schüler über Gefahren und Möglichkeiten aufgeklärt werden konnten.“

„Durch die Teilnahme am Schulversuch ergaben sich für unsere Schülerinnen und Schüler nicht nur mehr Freiheiten in Bezug auf die Nutzung von mobilen Endgeräten, sondern die Schülerinnen und Schüler lernten insbesondere, ihr Medienverhalten zu reflektieren und auf mögliche Risiken zu reagieren.“ 

„Es kam zu einer Steigerung des sinnvollen, eigenverantwortlichen Umgangs mit dem Handy.“

„Der Umgang mit dem Handy ist bei den Schülern offener geworden. Außerdem haben die Schüler gelernt, dass sie trotz der bestehenden Möglichkeiten, nicht immer auf ihr Handy schauen müssen.“

Aspekt Zeitgemäßheit

Viele der befragten Schulleitungen und für den Schulversuch zuständigen Lehrkräfte erhofften sich vor Versuchsstart eine zeitgemäße(re) Neuregelung der Handynutzung an ihrer Schule. Explizite Äußerungen bezüglich dieses Aspekts kamen am Versuchende erwartungsgemäß seltener vor, da eine zeitgemäße Neuregelung bei vielen Schulen Grund für die Teilnahme am Schulversuch war und dementsprechend wohl als selbstverständlich galt.

„Ich denke, dass man die (bestehende) Regelung anpassen müsste und den Schulen hier mehr Freiräume bei der Umsetzung geben sollte. Davon abgesehen finde ich es aber richtig und gut, den Gebrauch digitaler Medien im Schulbereich einzuschränken.“

„Ich erhoffe mir einen ’normalen‘ Umgang mit dem Handy im Setting Schule. Das Handy ist aus der Hand der Kinder nicht mehr wegzudenken. Hier möchte ich die Kinder abholen und ihnen Grenzen und Möglichkeiten durch den Schulversuch aufzeigen.“

„Mit unseren Regelungen zur privaten Gerätenutzung konnten wir unsere Bedürfnisse als berufliche Schule mit meist erwachsenen Schülerinnen und Schülern berücksichtigen und konnten es als Anlass im Kollegium nutzen, dieses Thema zu diskutieren und zu vereinheitlichen.“ 

„Unsere schulischen Regelungen tragen der sich medial geprägten Lebens- und Lernrealität deutlich besser Rechnung als eine ‚Verbannung‘ des Handys aus dem Kontext Schule.“

„Das Handy gehört zur Lebensrealität der Schüler auch für private Belange und sollte deshalb auch in der Schule solchen Raum finden. Denn die Schule ist auch ein Lebensraum.“

Schlussgedanken

Neben den mehrheitlich äußerst positiven Erfahrungen der Befragten hinsichtlich des Schulversuchs zeigen einige Äußerungen allerdings auch, dass das Einführen schuleigener Regelungen für die private Nutzung digitaler Endgeräte kein Selbstläufer ist. Es gibt, einiges zu beachten und einigen „Herausforderungen“ entgegenzuwirken.

Einzelberichte über eine schwere bis zum Teil unmögliche Konsensfindung innerhalb der Schulfamilie zeigen die Bedeutung eines gut geplanten Entstehungsprozesses. Ein zentrales Kennzeichen dieses Prozesses ist, dass Bedenken und Vorbehalte von Beginn an ernst genommen werden und in jedem Fall deutlich gemacht wird, dass eine schulische Neuregelung der Nutzung digitaler Endgeräte keinesfalls bedeutet, dass mit dieser alles erlaubt wird.

In wenigen Fällen gab es im Versuchszeitraum juristisch relevante Vorfälle im Zusammenhang mit der Nutzung digitaler Medien, die allerdings auch bisher, ohne Nutzungsordnung, auftreten konnten. Mit oder ohne schuleigene Regelung ist und bleibt es eine wichtige Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler hinsichtlich rechtlicher Fragestellungen zu sensibilisieren. Die Regelungen zur Nutzung digitaler Endgeräte können hierbei bereits einen medienerzieherischen Baustein darstellen und zudem auch eine klare Vorgehensweise bei strafrechtlich relevanten Vergehen oder Verdachtsfällen festlegen.

In Einzelfällen wurde von unerwünschten Nebeneffekten berichtet, bspw. von weniger sportlicher Aktivität oder „echten“ Kommunikation. Durch spezifische Regelungen (z. B. durch sinnvolle zeitliche und örtliche Beschränkungen der Handynutzung) sowie Alternativangebote mit Aufforderungscharakter kann derartigen Tendenzen entgegengesteuert werden.

Trotz einzelner kritischer Äußerungen bewertete die große Mehrheit der Befragten die Regeln zur privaten Nutzung digitaler Endgeräte an ihrer Schule sehr positiv. Gerade im Hinblick auf die Medienkompetenz (der gesamten Schulfamilie) und die Entwicklung eines positive(re)n Schulklimas, scheint die Einführung schuleigener Regelungen viele Chancen zu eröffnen, die es durch das Einbetten in ein medienpädagogisches Gesamtkonzept und eine gute Planung des Entstehungsprozesses zu nutzen gilt.

Weitere Beiträge

Alle ansehen (11)

Flankierende medienpädagogische Maßnahmen

Medienerzieherische Projekte, Lehrerfortbildungen und Informationsveranstaltungen für Eltern sollten die Einführung der schuleigenen Regelung zur privaten Nutzung digitaler Endgeräte begleiten.

Warum (k)eine schuleigene Regelung?

Der Beitrag gibt Orientierung zur Frage, ob an der Schule Regelungen für die private Nutzung von Smartphones und anderer digitaler Endgeräte eingeführt werden soll.

Zu Seitenstart springen Über mebis