Ein Blick in die Praxis - Erfahrungen der Versuchsschulen
Erfahrungen der Versuchsschulen nach zwei Jahren mit Regelungen zur Nutzung von Smartphones.
Der Erarbeitungsprozess einer schuleigenen Regelung über die private Nutzung digitaler Endgeräte in der Schule sollte im Rahmen der Schulentwicklung unter Einbezug der gesamten Schulfamilie vollzogen werden. Keinesfalls muss die Einführung bedeuten, dass die private Nutzung vollumfänglich, immer und überall ermöglicht wird. Dementsprechend können sich die schulspezifischen Regelungen je nach Gegebenheiten vor Ort sowohl inhaltlich als auch strukturell stark unterscheiden. Dieser Artikel zeigt anhand von ausgewählten Leitfragen verschiedene Ideen, Anregungen und Erfahrungen aus der Praxis auf, die bei der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung sowie dem Aufbau schulischer Regelungen als Hilfestellung dienen können.
Die Regelungen der privaten Nutzung digitaler Endgeräte gelten für alle Schülerinnen und Schüler verbindlich. Da die Altersspanne und die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen an weiterführenden Schulen je nach Schulart und bereits stattfindenden medienpädagogischen Maßnahmen sehr heterogen sind, kann es jedoch sinnvoll sein, eine nach Alter gestaffelte Regelung einzuführen.
Der Kerngedanke wäre in diesem Fall, Schülerinnen und Schülern mit zunehmender Medienkompetenz (vgl. Zielsetzungen des Mediencurriculums) auch mehr Rechte einzuräumen.
Zudem sollte vorab geklärt werden, ob und inwiefern die Regelungen auch für Lehrkräfte, anderweitig an der Schule Arbeitende, Eltern und Gäste gelten sollen.
Möglichkeiten der Staffelung:
Jahrgangsstufen,
Jahrgangsstufenblöcke
z. B. Unter-, Mittel- und Oberstufe
Grundsätzlich beziehen sich die schuleigenen Regelungen auf die außerunterrichtliche, auch private Verwendung mobiler Endgeräte an weiterführenden und beruflichen Schulen. Explizit ausgenommen sind Grundschulen und Grundschulstufen an Förderschulen. Im Unterricht und bei sonstigen Schulveranstaltungen entscheidet die Aufsicht führende Person (vgl. Art. 56 Absatz 5 BayEUG Sätze 1 und 2).
Umgekehrt bedeutet dies, dass die (private) Gerätenutzung im Rahmen der schulischen Regelungen vor dem Unterricht, in den Pausen, in Freistunden (Oberstufe), in der Mittagspause und nach Unterrichtsende gestattet werden könnte. Aus verschiedenen Gründen kann es jedoch sinnvoll sein, die Gerätenutzung außerhalb des Unterrichts zeitlich zu beschränken, beispielsweise um die „echte“ Kommunikation oder das Sich-Bewegen in (einer der) Pausen zu fördern oder das störungsfreie Mittagessen (zu Beginn der Mittagspause) zu gewährleisten. Möglich wäre auch die Verbindung aus altersgemäßer und zeitlicher Staffelung.
Nutzungsmöglichkeiten eigener digitaler Endgeräte an Schulen:
im Unterricht zu unterrichtlichen Zwecken
außerhalb des Unterrichts (Pausen, Freistunden) zu schulischen/unterrichtlichen Zwecken
außerhalb des Unterrichts zu privaten Zwecken
Zunächst ist zwischen dem Geltungsbereich der schuleigenen Regelungen der privaten Nutzung digitaler Endgeräte an sich und jenen Bereichen, Räumen und Zonen zu unterscheiden, an welchen das private Nutzen digitaler Endgeräte möglich ist.
Generell gelten die schuleigenen Regelungen im gesamten Schulgebäude und auf dem Schulgelände. Beim Festlegen des Geltungsbereichs sollten jedoch auch andere schulische Szenarien auf dem Schulgelände (z. B. Sportfeste, Konzerte, Abendveranstaltungen etc.) sowie Schul- und Unterrichtsfahrten außerhalb des Schulgeländes (z. B. Exkursionen, Skikurse, Wandertage etc.) in die Überlegungen einbezogen werden.
Mögliche Bereiche, Räume und Zonen (siehe Sidebar), in welchen die private Nutzung digitaler Endgeräte ermöglicht wird, sollten je nach Gegebenheiten vor Ort sinnvoll ausgewählt und festgelegt werden.
Mögliche Nutzungsorte:
Aula
Pausenhof (bzw. Teile davon)
Mensa (bzw. Schülercafé)
Bibliothek und Stillarbeitsräume
sonstige Aufenthaltsräume
Sowohl beim außenunterrichtlichen Nutzen digitaler Endgeräte für schulische Zwecke als auch beim Verwenden für private Zwecke kann nicht ausgeschlossen werden, dass es auch zu „nicht wünschenswerter“ Gerätenutzung kommt, die es durch begleitende medienpädagogische Maßnahmen und den Aufbau von Medienkompetenz zu minimieren gilt.
Bei konkreten Verdachtsfällen muss, wie bei vergleichbaren Fällen in der analogen Welt auch (z. B. Beleidigung, Mobbing), pädagogisch eingegriffen werden. Zudem sind Schülerinnen und Schüler bei strafrechtlich oder zivilrechtlich relevanten Vergehen an der Schule ebenso verantwortlich wie außerhalb dieser.
Je nach schulspezifischen Voraussetzungen und Altersstruktur könnte es aus medienerzieherischer Sicht sinnvoll sein, zusätzlich bestimmte Nutzungsmöglichkeiten einzuschränken. So könnten bspw. lautes, andere störendes Musikhören über Lautsprecher oder das Fotografieren und Filmen auf dem Schulgelände generell verboten sein.
Gebote nennen erlaubte Inhalte (z.B. Musikhören mit Kopfhörern in der Aula, Fotografieren und Filmen nach Zustimmung einer aufsichtführenden Lehrkraft). Analog dazu legt eine „Whitelist“ konkrete Apps und Internetseiten fest, die zur Nutzung freigegeben sind.
Verbote nennen nicht erlaubte Inhalte (z.B. Lautes Musikhören über Lautsprecher, Fotografieren und Filmen auf dem Schulgelände). Analog dazu legt eine „Blacklist“ konkrete Apps und Internetseiten fest, die nicht genutzt werden dürfen.
Schon beim Erstellen der schuleigenen Regelungen sollten die Aspekte der Kontrollierbarkeit und Praktikabilitätmitberücksichtigt werden. Sehr komplexe, ausdifferenzierte Regelungen (z. B. für verschiedene Jahrgangsstufen, Orte und Zeiten) können ein dringend notwendiges, konsequentes Vorgehen der (aufsichtführenden) Lehrkräfte erschweren. Im Fall von größeren Schulen können Lehrkräfte bspw. nicht immer die Jahrgangsstufenzugehörigkeit von allen Schülerinnen und Schülern wissen. Dennoch ist sehr zu wünschen, dass die tatsächliche Sinnhaftigkeit einer Regelung nicht wesentlich durch ihre Kontrollierbarkeit infrage gestellt, sondern im Zusammenhang mit ihren medienerzieherischen Chancen gesehen wird. Ziel sollte es demnach sein, eine von der gesamten Schulfamilie entwickelte und getragene Nutzungsvereinbarung zu haben, die, je nach Gegebenheiten vor Ort, für alle Beteiligten als sinnvoll erachtet und auch deshalb von der großen Mehrheit eingehalten wird.
Auch wenn die Regelungen für die private Nutzung digitaler Geräte allgemein akzeptiert werden, kann es bisweilen zu Verstößen kommen. Diese sollten von allen Lehrkräften konsequent geahndet werden. Hierzu erscheinen einheitliche, dokumentierte Erziehungsmaßnahmen mit eher geringem Mehraufwand für (Aufsicht führende) Lehrkräfte hilfreich. Es liegt im Ermessen der jeweiligen Schule, ob und inwiefern die Vorgehensweise bei Verstößen bereits direkt in den schuleigenen Regelungen festgelegt oder separat behandelt wird. Generell sollte im Umgang mit Verstößen stets auf das Prinzip der Verhältnismäßigkeit geachtet werden. Zudem sollte die (bestenfalls einheitliche) Vorgehensweise auf die jeweilige Schulart und das Alter der Schülerinnen und Schüler abgestimmt sein. Standardisierte, vorgedruckte Elternschreiben bei einmaligen bzw. seltenen Verstößen haben sich in der Praxis bewährt, jedoch sind auch andere (kreativere) Lösungen möglich (siehe Good-Practice-Beispiele). Treten häufiger Verstöße gegen die Regelungen auf, so können die Maßnahmen und Sanktionen (gestaffelt) gesteigert werden.
Je nach Schulart und Altersstruktur kann es auch sinnvoll sein, das Handynutzungsrecht durch eine medienpädagogische Grundbildung zu erwerben (z. B. Handyführerschein, Handybenutzungskarte etc.). Bei (mehrfachen) Verstößen könnte dieses Nutzungsrecht (ggf. für eine bestimmte Dauer) entzogen werden.
Das vorübergehende Einbehalten des digitalen Endgeräts ist, unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, möglich (vgl. Art. 56 Abs. 5 BayEUG Satz 4).
Die im Zuge des Schulversuchs entstandenen Nutzungsregelungen unterscheiden sich, je nach Altersstruktur und Gegebenheiten vor Ort oft immens. Bemerkenswert erscheint, dass die Zustimmung innerhalb der Schulfamilie und insbesondere der Schülerinnen und Schüler zur schuleigenen Regelungen nicht mit dem Grad der „Freiheit“ in den Regelungen korrelierte, sondern mutmaßlich mit der Qualität des Entstehungsprozesses zusammenhängt.
Zusammenfassung der Gelingensfaktoren:
Detailliertere und an Beispielen aufgezeigte Ausführungen sind unter dem Beitrag „Good-Practice-Beispiele“ zu finden.
Die Ergebnisse des Schulversuchs zeigen deutlich, dass ein offenes und mitverantwortliches Einbinden der gesamten Schulgemeinschaft als wohl wichtigster Gelingensfaktor anzusehen ist (vgl. hierzu den Artikel „Erstellung und Einführung“).
Die Nutzungsordnung sollte in kurzen, einfachen Sätzen, klar verständlicher Sprache und unter Verwendung eindeutiger Formulierungen verfasst werden. Außerdem sollte auf die einheitliche und konsequente Benennung der Geräte geachtet werden („Smartphone“, „Handy“, „digitale Endgeräte“, „Speichermedien“), da ein Wechsel zwischen den einzelnen Begriffen zu Verwirrung führen kann. Denkbar ist auch, die Begriffe zu Beginn der Regelungen der privaten Nutzung digitaler Endgeräte einmalig zu klären. Angesichts des Trends zur Smartwatch erscheint es sinnvoll, diese ebenfalls in die Überlegungen und Regelungen einzubeziehen.
Es empfiehlt sich, die zentralen Aspekte der Regelung prägnant, übersichtlich und mithilfe von Bildern und Symbolen(zusätzlich) zu veranschaulichen. Bei komplexeren Nutzungsordnungen kann eine vereinfachte grafische Darstellung mit den Kernregelungen hilfreich sein.
Erfahrungen der Versuchsschulen nach zwei Jahren mit Regelungen zur Nutzung von Smartphones.
Beispiele konkreter Regelungen verschiedener Schularten
Leitfaden für die Erstellung und Einführung schuleigener Regelungen zur privaten Nutzung von Smartphones und anderer digitaler Endgeräte
Vorlagen für die Gestaltung schuleigener Regelungen, Elternschreiben u. v. m.
Leitfragen zum Inhalt und Aufbau von Regelungen zur privaten Nutzung von Samrtphones und anderer digitaler Endgeräte an Schulen
Zur aktuellen Studienlage der privaten Nutzung des Smartphones durch Kinder und Jugendliche im schulischen Kontext.