Aufgaben einsetzen und anpassen
Vorhandene Digitale Lernaufgaben anpassen und in anderen Kontexten verwenden
Der Orientierungsrahmen „Digitale Lernaufgaben” basiert auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die wir in diesem Beitrag vorstellen möchten. Für jeden der vier Zielbereiche bieten wir Einblicke in die zugrunde liegenden Erkenntnisse aus den Bereichen der Mediennutzungsforschung und Lehr-Lernforschung. Sie können als Ausgangspunkt dienen, um bei der Gestaltung eigener Digitaler Lernaufgaben gezielt einen der vier didaktischen Zielbereiche auszuwählen.
Der Zielbereich „Digitale Welt” umfasst zwei Aspekte. Einerseits beinhaltet er die Konfrontation von Schülerinnen und Schülern mit authentischem, digitalem Material. Andererseits werden darin Themen und Herausforderungen reflektiert, die sich aus der fortschreitenden Digitalisierung ergeben. Diese Zielsetzung steht in enger Verbindung mit folgenden wissenschaftlichen Erkenntnissen:
Der kontinuierliche Trend von steigender Mediennutzung bei Kindern und Jugendlichen und die sich daraus ergebenden Fragestellungen und Problematiken werden unter anderem in der JIM-Studie 2022 untersucht. Digitale Lernaufgaben greifen inhaltliche Problemfelder von Mediennutzungsstudien im Zielbereich „digitaler Wandel” auf.
In vielen wissenschaftlichen Modellen zur Medienkompetenz wird ein Bereich hervorgehoben, in dem Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, eigene mediale Werke zu erschaffen. Dieses Konzept findet auch Eingang in den Kompetenzrahmen zur Medienbildung an bayerischen Schulen, der die aktive Medienarbeit durch die grundlegende Kompetenz des „Produzierens und Präsentierens” betont. In diesem Prozess durchlaufen Schülerinnen und Schüler einen strukturierten Arbeitsprozess, der die Auseinandersetzung mit fremden und eigenen Werken – stets im rechtlichen Rahmen – einschließt und reflektiert.
Die Lerntheorie des Konstruktivismus betont die Bedeutung eines Lernens, das eng mit der realen Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler verknüpft ist. Die vermittelten Inhalte sollten sich idealerweise auf „authentische” Probleme beziehen, wie sie beispielsweise durch Studien zur Mediennutzung aufgedeckt werden.
In diesem Kontext können die Materialien einer digitalen Lernaufgabe vielfältig sein, einschließlich Texten, Grafiken und audiovisuellen Medien, ähnlich denen, die auf den Webseiten von Online-Zeitungen zu finden sind.
Die fortschreitende digitale Transformation bringt kontinuierlich neue Herausforderungen in verschiedenen Bereichen hervor. Im schulischen Kontext ist es wichtig, diese Herausforderungen zu erkennen und den Unterricht in Einklang mit aktuellen Entwicklungen zu bringen. Das betrifft Themenbereiche wie gesellschaftliche und rechtliche Fragestellungen, etwa Cybermobbing und Fake News, sowie technologische Fortschritte wie künstliche Intelligenz und die Analyse großer Datenmengen.
Die Ergebnisse der JIM-Studie 2022 verdeutlichen beispielsweise, dass Phänomene wie Desinformation und onlinebasierte Beleidigungen zum digitalen Alltag von Heranwachsenden gehört:
Unsere Lerngruppen bringen eine vielfältige Bandbreite an Voraussetzungen mit, die individuellen Bedürfnisse nach sich ziehen. Der Zielbereich „Individuum” verdeutlicht, wie digitale Lernarrangements dazu beitragen können, der Herausforderung der Heterogenität gerecht zu werden. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen die Effektivität von Differenzierung, der Förderung von Lernautonomie und der Fokussierung auf den individuellen Lernprozess.
Innerhalb eines von der Lehrkraft definierten Rahmens erhalten Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, eigenverantwortlich ihren Lernort, ihr Lerntempo sowie den Zeitpunkt des Lernens festzulegen. Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen die Effektivität von Differenzierung, der Förderung von Lernautonomie und der Fokussierung auf den individuellen Lernprozess (Hattie 2020).
Digitale Lernaufgaben eröffnen Lernenden die Möglichkeit, Lerninhalte und -ziele frei zu wählen. Dadurch erleben sie ein gesteigertes Maß an Selbstwirksamkeit und sind stolz, den Unterricht mitbestimmen zu dürfen.
Die Studie von Markus, Jacob und Eberle (2018) zeigt zudem, dass sich Individualisierung durch Autonomiegewährung positiv auf das die Lern- und Leistungsempfinden auswirkt.
Digitale Lernaufgaben können als individuelle und adaptive Lernpfade konzipiert sein, die Raum für persönliches oder automatisiertes Feedback an die Lernenden bieten. Diese Lernwege können durch abgestufte Hilfen oder zusätzliche Materialien ergänzt werden. Die Lehr-Lern-Forschung ist sich darin einig, dass förderliches Feedback einen wesentlichen Beitrag zum Lernerfolg leistet.
Um die […] Potenziale für die Gestaltung schulischer Lehr-Lern-Prozesse auszuschöpfen, sollten diese so gestaltet werden, dass sie vielfältige Begegnungen fördern, bei denen Lernende sich – u. a. mittels ihrer analog oder digital festgehaltenen Erfahrungen und Ideen – mit anderen austauschen und mit ihnen zusammenarbeiten können.
Die oben zitierte Empfehlung der Kultusministerkonferenz zum „Lehren und Lernen in der digitalen Welt” (2021) wird auch im Zielbereich „Peergroup” aufgegriffen. In diesem werden Lernsettings vorgestellt, in denen Schülerinnen und Schüler im positiven Sinne voneinander abhängig sind und kooperativ oder kollaborativ zusammenarbeiten. Die Bedeutung sozialer Interaktion und Kommunikation für das Lernen wird von der Wissenschaft als äußerst wirkungsvoll eingeschätzt, etwa in der Metaanalyse von Tenenbaum et al. (2020).
Kurzreview des Clearing House Unterricht (TU München) zu einer Studie von Tennenbaum et al.
Das ICAP-Modell von Chi & Wylie (2014) unterscheidet zwischen vier Arten von Lernaktivitäten: aktiv, passiv, konstruktiv und interaktiv. Die Autorinnen bewerten insbesondere konstruktiv-interaktive Aktivitäten als besonders lernförderlich, wohingegen passive Lernaktivitäten wie Zuhören ohne weitere Aktivität oder aktive Lernaktivitäten wie das Unterstreichen von Passagen in einem Text, kaum tiefer gehende Lernprozesse auslösen. Weitere Beispiele für konstruktiv-interaktive Lernaktivitäten finden sich bei Kollar & Fischer (2019):
das Erklären
das Fragenstellen
das Argumentieren
das Peer-Feedback
Kooperatives oder kollaboratives Lernen kann auch in medienunterstützten Umgebungen erfolgen. Dabei ist wichtig, dass diese von der Lehrkraft in sogenannten „Kooperationsskripts” vorstrukturiert werden, um den Lernprozess kohärent zu gestalten: Ergebnisse der Lehr-Lernforschung zeigen, dass eine durchdachte Strukturierung des Arbeitsprozesses und eine Begleitung durch die Lehrkraft maßgeblich für die Lernwirksamkeit kooperativer Unterrichtsformate sind.
Soziale Interaktion kann auch in Feedback-Phasen zwischen den Schülerinnen und Schülern stattfinden. Die Lernenden können gemeinsam Lösungsansätze erarbeiten, Arbeitsergebnisse visualisieren und sich im Rahmen des Peer-Feedbacks austauschen. Studien zeigen, dass Feedback besonders effektiv ist, wenn es von der Lehrkraft strukturiert wird (etwa durch vorgegebene Kriterien), das Feedback-Geben eingeübt wird und es sich auf den Arbeitsprozess bezieht (Kollar & Fischer, 2019).
In diesem Beitrag finden Sie unter anderem Tipps aus Forschung und Praxis zum Peer-Feedback
Lernförderliches FeedbackDer Zielbereich „Weg & Ziel” legt den Fokus darauf, dass Lehrkräfte Anweisungen geben, die Raum für vielfältige kreative Ergebnisse seitens der Lernenden lassen. Diese Aufgaben ermöglichen es den Schülerinnen und Schülern, zu Erstellenden von Medienprodukten zu werden. Zudem kann die Dokumentation des Arbeitsprozesses selbst zum zentralen Aspekt werden.
Aufgabenstellungen, die Schülerinnen und Schülern Raum für kreative und vielseitige Lösungsansätze bieten, finden Unterstützung in der konstruktivistischen Lehr-Lern-Forschung. Wenn Lernende mit authentischen Problemsituationen konfrontiert werden und eigene Lösungen entwickeln bzw. erproben dürfen, übernehmen sie die Verantwortung für ihren eigenen Lernfortschritt.Die Rolle der Lehrkräfte besteht darin, diesen Prozess zu begleiten und zu strukturieren.
Agiles Lernen bezieht sich auf einen aktiven, flexiblen und anpassungsfähigen Lern- und Arbeitsprozess und ist gut einsetzbar im Zielbereich „Weg & Ziel”. Hier kommt auch das ICAP-Modell (siehe oben) zum Tragen, das interaktive Lernarrangements als besonders lernförderlich hervorhebt. Ursprünglich aus der IT- und Softwarebranche stammend, finden agile Methoden heutzutage auch im schulischen Kontext Anwendung. Lernprozesse werden visuell dokumentiert und durch Feedbackschleifen reflektiert, etwa in Form eines Kanban-Boards, mithilfe von H5P-Dokumentationen oder durch kollaborative Bearbeitung von Textdokumenten.
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