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Kooperation, Kollaboration, Gruppenarbeit - Gibt es einen Unterschied?

Gruppenarbeit, Kooperation und Kollaboration sind Begriffe, die im Alltag oft verwechselt oder synonym verwendet werden. Bei genauerer Betrachtung zeigen sie jedoch unterschiedliche Nuancen und repräsentieren in der Fachsprache verschiedene Formen der Zusammenarbeit. In folgendem Artikel werden diese Begriffe für Sie aus fachlicher Perspektive präzise eingeordnet.

Vergleich kooperatives Lernen und Gruppenarbeit

Was unterscheidet kooperatives Lernen von der herkömmlichen Gruppenarbeit?

Kooperatives Lernen unterscheidet sich von herkömmlicher Gruppenarbeit durch die Berücksichtigung innerer Bedingungen, die während der Arbeitsphase die Lernwirksamkeit erhöhen.

Kooperation meint das Arbeiten IN einer Gruppe und Kollaboration das Arbeiten ALS Gruppe.
Aus fachwissenschaftlicher Sicht ist Gruppenarbeit die Phase der „Arbeit in Gruppen“. Im Alltag werden meist alle Phasen der Sozialform des „Gruppenunterrichts“ mitgedacht. In der Praxis kommt „Kooperation“ und „Kollaboration“ meist vermischt vor.
Für Ihr Verständnis ist wichtig, dass bei allen Artikeln in diesem Schwerpunkt die äußere Sozialform „Gruppenunterricht“ von inneren Bedingungen wie der Arbeitsweise „Kooperation“ oder „Kollaboration“ unterschieden werden muss.

Das soziale und das fachliche Lernen stehen beim kooperativen Lernen gleichrangig nebeneinander. Die Sozialkompetenz wird ausgebildet, indem diese „sorgfältig thematisiert, konkretisiert und schülergemäß in Verhaltensmöglichkeiten und Handlungsweisen 'übersetzt'“ wird. (Weidner, S. 29)

Kooperativ strukturierte Gruppenarbeit

Herkömmliche Gruppenarbeit

Positive Abhängigkeit zwischen den Mitgliedern

keine Abhängigkeit zwischen den Mitgliedern

Individuelle Verantwortlichkeit für eigene und die Leistung aller Mitglieder

Verantwortlichkeit nur für die eigene Leistung

Mitglieder profitieren von den Erfolgen der anderen/ echte Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfen, um den Lernerfolg der anderen zu unterstützen

Mitglieder bearbeiten die Aufgaben ohne wechselseitige Verantwortung für die Lernerfolge der anderen

Betonung von Aufgabenerfüllung und guten sozialen Beziehungen

Betonung von Aufgabenerfüllung

Lehrperson achtet auf soziales Verhalten

Sozialverhalten kein Thema

Förderung sozialer Fertigkeiten

Soziale Fertigkeiten werden vorausgesetzt

Alle übernehmen Führungsaufgaben

Ernennung einer Führungsperson

Gruppen beobachten ihre Wirksamkeit

Gruppenprozesse werden nicht thematisiert

(nach Johnson und Johnson (1999), S. 73) zitiert nach  Borsch, S.30

Um sich vertieft mit den unterschiedlichen Formen kooperativen Arbeitens und mit den Studien dazu auseinander zu setzen, bedarf es einer ausführlichen Analyse dieser Fachbegriffe.

Begriffsdefinition

Wie sind die Fachbegriffe definiert?

Begriff „Gruppenarbeit“

Beim Begriff Gruppenarbeit handelt es sich um eine Phase des Gruppenunterrichts. Meist wird in der Alltagssprache damit jedoch die komplette Sozialform des Gruppenunterrichts beschrieben. Hilbert Meyer grenzt die beiden Begriffe folgendermaßen ab:

„Gruppenunterricht ist eine Sozialform des Unterrichts, bei der durch die zeitlich begrenzte Teilung des Klassenverbandes in mehrere Abteilungen arbeitsfähige Kleingruppen entstehen, die gemeinsam an der von der Lehrkraft gestellten oder selbst erarbeiteten Themenstellung arbeiten und deren Arbeitsergebnisse in späteren Unterrichtsphasen für den Klassenverband nutzbar gemacht werden können. Gruppenarbeit ist die in dieser Sozialform von den Schülerinnen und Schülern und der Lehrkraft geleistete zielgerichtete Arbeit, soziale Interaktion und sprachliche Verständigung.“ (Meyer, Hilbert, 2000, S. 242)

Da für den Unterrichtserfolg die geleistete Arbeit von entscheidender Bedeutung für den Lernerfolg ist, bedarf es weiterer Erläuterungen dieser Arbeitsweise.

In Abgrenzung zur Sozialform werden daher nun auch die Begriffe „Kooperation“ und „Kollaboration“ vorgestellt, um den Fokus auf die Arbeitsweise zu legen, die entscheidenden Einfluss auf die Lernwirksamkeit hat.

Begriff „Kooperatives Lernen“

„Kooperatives Lernen ist eine besondere Form von Kleingruppenuntericht, der – anders als der traditionelle Gruppenunterricht – die sozialen Prozesse beim Lernen besonders thematisiert, akzentuiert und strukturiert. Der Entwicklung von der losen Gruppe zum „echten“ Team mit erkennbarer Identität kommt hohe Bedeutung zu. (...)

Durch sensibel geplante Prozesse wird eine positive gegenseitige Abhängigkeit der Gruppenmitglieder erzeugt, was sich sowohl auf die sozialen Interaktionsprozesse als auch auf die Arbeitsergebnisse oder -produkte günstig auswirkt.“ (Weidner, 2012, S.29)

Kooperatives Lernen thematisiert also zusätzlich zu den Lerninhalten eines Faches auch die Stärkung der Sozialkompetenz als weiteren, gleichrangigen Lerninhalt.

Abgrenzung der Begriffe Kooperation und Kollaboration

Wie kann man Kollaboration und Kooperation unterscheiden?

Kooperatives Lernen kann in zwei Varianten umgesetzt werden. Beiden Arbeitsweisen gemeinsam ist, dass ein Lernen hinsichtlich des Kommunikations- und Sozialverhaltens erfolgt. Laut Lewis spricht man von Kooperation, wenn eine gegenseitige Unterstützung der Gruppenmitglieder gegeben ist, aber jedes Mitglied eigene Ziele verfolgt. Kollaboration hingegen ist gegeben, wenn ein gemeinsames Ziel ausgehandelt wird (Konrad und Traub, 1999).

Kooperation – Wie arbeite ich in einer Gruppe?

Bei der kooperativen Arbeitsweise spielt die positive Abhängigkeit zum Team und die Gruppe selbst eine wichtige Rolle.

Merkmale kooperativen Lernens:

  • Positive gegenseitige Abhängigkeit innerhalb der Gruppe

  • Direkte unterstützende Interaktion der Gruppenmitglieder

  • Individuelle Verbindlichkeit und Verantwortung bei Arbeitsaufträgen und -ergebnissen

  • Soziale Kompetenzen der Gruppenmitglieder

  • Reflexion und Evaluation der Gruppenarbeit nach der Arbeitsphase

Positive Interdependenz, individuelle Verantwortung und Gruppenreflexion können von Lehrpersonen umgesetzt werden. Durch die Vorstrukturierung des gemeinsamen Arbeits- und Lernprozesses kann die Lehrperson auf diese Elemente Einfluss nehmen. Die unterstützende Interaktion und die sozialen Fähigkeiten der Lernenden sind notwendige Schülervoraussetzungen. Sie können nur durch die Hinweise der Lehrperson angesprochen werden, müssen aber von den Schülerinnen und Schülern umgesetzt und geübt werden.

Kollaboration - Wie arbeite ich als Gruppe?

Kollaboratives Arbeiten unterscheidet sich ganz wesentlich vom kooperativen, denn bei der Kollaboration wird nicht arbeitsteilig gearbeitet. Dadurch kommt der Kommunikation innerhalb der Gruppe große Bedeutung zu.
Kollaboratives Lernen bedeutet zusammen eine Aufgabe zu lösen oder ein Projekt zu erarbeiten. Der gemeinsame Lernprozess steht im Zentrum. Während des kollaborativen Lernens entwickeln die beteiligten Lernenden ein gemeinsames Verständnis für den Lerngegenstand. Ziel der kollaborativen Arbeitsweise ist es, dass das von der Lehrkraft über das Arbeitsmaterial verteilte Wissen zusammen mit dem in der Gruppe neu erarbeiteten und verhandelten Wissen fest verankert ist. (vgl. Hron et al., 2002).

Ein Kuchen im Buffet - kollaborativ und kooperativ

Jöran Muuß-Merholz unterscheidet in einem Videobeitrag die Begriffe Kollaboration und Kooperation mit Hilfe zweier kulinarischer Beispiele: der Buffetgestaltung und dem Kuchenbacken.

  • Buffetgestaltung - Kooperation

    Bei der Buffetgestaltung ist das Ziel ebenfalls ein gemeinsames Produkt, das jedoch mehr Kooperation erfordert. Es werden zunächst innerhalb der Gruppe verschiedene Elemente des Buffets abgestimmt und anschließend trägt jeder das bei, was die jeweilige Person leisten kann – Zubereiten eines Salats oder einer Nachspeise, das Einkaufen von Baguette, usw. Damit das Buffet vollständig ist, muss sich im Vorfeld kooperativ abgestimmt werden, damit nicht mehrere Personen die gleichen Speisen mitbringen. Erst unmittelbar vor dem Buffet trifft man sich wieder. Dann wird das Produkt jeder Einzelperson zu einem Gemeinschaftsprodukt zusammengetragen.

  • Kuchenbacken - Kollaboration

    Wird ein Kuchen gemeinschaftlich in der Küche gebacken, handelt es sich um Kollaboration. Die eine Person sucht eine Zutat, die nächste Person bringt weitere Zutaten. Während des Backens wird sich aber kontinuierlich abgestimmt, welche Zutat als nächstes in die Schüssel kommt. Diese werden dann gemeinschaftlich in einer Rührschüssel zu einem Kuchenteig verarbeitet. Am Ende entsteht ein gemeinsames Produkt.

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