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Studien zu Kooperation und Kollaboration

Zwei der vier Kompetenzen des 4 K-Modells, die herausragende Bedeutung für die Fähigkeiten von Menschen in der Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts haben, sind im lernerzentrierten Unterricht zentral: Kollaboration und Kommunikation. Die Veränderungen unter den Bedingungen des 21. Jahrhunderts erfordern deutlich mehr soziale Interaktion. Die Schulung dieser Fähigkeiten ist nur innerhalb von kleineren Lerngruppen umsetzbar. Trotzdem werden viele Lehrkräfte folgender Aussage beipflichten: “Nur weil wir Schülerinnen und Schüler in Gruppen einteilen, heißt das noch nicht, dass sie als Team zusammenarbeiten.“ Auf Kooperation abzielende Lernformen müssen durch die Lehrkraft lernwirksam gestaltet werden.

Sie möchten mehr über die Lernwirksamkeit kollaborativer und kooperativer Szenarien wissen? Im Folgenden werden Studien vorgestellt, die darauf Antworten liefern.

Studienergebnisse

Auf einen Blick – Was sagen die Studien?

Kommunikation findet in kooperativen Settings nicht ausschließlich inhaltsbezogen oder vornehmlich sprachvermittelt statt. Kommunikation auf der Metaebene hat beispielsweise gerade bei projektorientiertem Unterricht, in dem kooperatives Arbeiten für den Lernerfolg entscheidend ist, einen hohen Stellenwert.

Digitale Medien können dabei unterstützen die teils komplexen Anforderungen an Kommunikation barrierefrei zu gestalten. Sung, Yang und Lee (2017) konnten zeigen, dass digitale Medien beim kollaborativen Arbeiten zu positiveren Lernleistungen, positiveren Einstellungen zum Lernen und zu höherer Produktivität führen.

Im Folgenden finden Sie konkrete Antworten auf folgende Fragen:

  1. Was bringt kooperatives Lernen dem einzelnen Lernenden?

  2. Wie verändern sich die Einstellungen der Lernenden durch kooperative Lernformen?

  3. Wie unterstützen digitale Geräte kollaboratives Arbeiten?

  4. Warum sollte man sich über Lernprozesse austauschen?

  5. Warum sollten Lernende sich gegenseitig Rückmeldung geben?

Studie 1

1 Was bringt kooperatives Lernen dem einzelnen Lernenden?

Studie zum Einfluss kooperativen Lernens auf den individuellen Lernerfolg (Slavin, 1983)

Ergebnisse dieser Studie

  • Anreizstrukturen sind wichtiger als Aufgabenstrukturen

  • gemeinsamer Gruppenanreiz und -abhängigkeit von den Beiträgen der anderen erhöht die Lernleistung

  • Kooperatives Lernen ist dann effektiv, wenn es kollaboratives Lernen ist

  • Lernende ohne weitere Unterstützung in Gruppen einzuteilen hat keinen positiven Einfluss auf den Lernerfolg

Robert Slavin (1983) legte mit seinem Artikel „When does cooperative learning increase student achievement?“ die Grundlage für die weitere Untersuchung kooperativer Lernformen.

Er fand heraus, dass kontextuelle Maßnahmen der kooperativen Lernformen entscheidend für den Lernerfolg sind, es also keine generellen Vorteile von Gruppenunterricht gibt. Slavin hat dafür 46 Einzelstudien zusammengefasst und eine Subgruppenanalyse vorgenommen, um einzelne Einflussfaktoren bewerten zu können.

Slavin unterschied dabei zwischen kooperativer Aufgabenstruktur und kooperativer Anreizstruktur.

Die Anreizstruktur kann entweder wettbewerbsorientiert oder kooperativ sein. Außerdem kann sie individuell sein (Konsequenz für individuelle Leistungen oder Verhaltensweisen) oder einen Gruppenanreiz schaffen (Konsequenz aus Leistungen oder Verhaltensweisen der Gruppe als Ganzes)
Die Anreizstruktur befasst sich also mit den Zielen und Konsequenzen, die sich aus einer Zusammenarbeit in Kleingruppen ergeben.

Mit kooperativer Aufgabenstruktur ist gemeint, wie die Lernenden zusammenarbeiten. Gibt es die Notwendigkeit einer gegenseitigen Unterstützung innerhalb der Gruppen oder ist das Teilen von Wissen und Fähigkeiten, um gemeinsame Lösungen zu finden, gefordert.

Nicht alle Studien beinhalteten kooperative Anreizstrukturen. Slavin analysierte, dass kooperatives Lernen ineffektiv ist, wenn die Aufgabe auch alleine hätte gelöst werden können oder Aufgabenzuständigkeiten nicht transparent genug sind.

In seiner Untersuchung fand er heraus, dass die kooperativen Anreizstrukturen für den Erfolg kooperativer Lernformen entscheidend sind. 89% der Studien mit Gruppen-Anreizen kamen zu positiven Effekten, aber keine Studie zeigte positive Effekte ohne Gruppen-Anreizstrukturen. Gruppenanreize zeigen also generell bessere Effekte, weil durch sie auch soziale Fertigkeiten geschult werden. Besonders positiv waren dabei Gruppenanreize, die als individuelle Anreize wahrgenommen werden.

Als zweiter Aspekt ebenso wichtig ist darüber hinaus die individuelle Verantwortlichkeit, dass also Lernende einen konkret nachvollziehbaren individuellen Beitrag leisten. Das kann social loafing (soziales Faulenzen) vermeiden, weil die Gruppenmitglieder sich dann gegenseitig ermutigen und unterstützen, um tatsächlich Leistung zu zeigen.

Kooperative Lernformen haben nach dieser Metastudie auf Lernleistungen eindeutig positive Auswirkungen

Studie 2

2 Wie verändern sich die Einstellungen der Lernenden durch kooperative Lernformen?

Studie von Kyndt und Kolleginnen und Kollegen zu kooperativem und kollaborativem Lernen

Ergebnisse dieser Studie

  • Einfluss in Naturwissenschaften und Mathematik ist größer als in Sozialwissenschaften und Sprachen.

  • Der Effekt ist bei jüngeren Lernenden bis zum Alter von 12 Jahren (d. h. bis zur sechsten Klasse) größer als in der Sekundarstufe und bei Studierenden.

  • Belohnung wirkt sich nicht auf die Leistungen aus.

Kyndt und Kolleginnen und Kollegen (2013) untersuchten in der Metaanalyse „A meta-analysis of the effects of face-to-face cooperative learning. Do recent studies falsify or verify earlier findings?“ die Effekte kooperativen Unterrichtens auf den Lernerfolg. Eine mittlere Effektstärke (ES = 0,54) konnte dabei für das kooperative Lernen berechnet werden. Auf die Einstellungen der Lernenden wirkte sich kooperatives Lernen demnach weniger stark aus (ES = 0,15).

Studie 3

3 Wie unterstützen digitale Geräte kollaboratives Arbeiten?

Untersuchungen zum Einsatz digitaler Geräte bei der Kollaboration

Ergebnisse dieser Studie

  • Der Einsatz digitaler Geräte erhöht Produktivität, verbessert die Lernleistung und verbessert die Einstellung zum Lernen.

  • Vor allem Lernende der Sekundarstufe und in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern profitieren vom Einsatz kollaborativen Lernens mit mobilen digitalen Geräten.

Die Metaanalyse „The effects of mobile-computer-supported collaborative learning: Meta-analysis and critical synthesis“ von Sung, Yang und Lee (2017) liefert erstmals empirische Hinweise darauf, ob und unter welchen Bedingungen Lernen in kollaborativer Form effektiv durch digitale Geräte unterstützt werden kann.

In die Metaanalyse flossen Ergebnisse aus 47 Artikeln im Zeitraum zwischen 2010 und 2016 ein. Insgesamt wurden 163 Effektstärken berücksichtigt. Es konnte eine signifikante mittlere Effektstärke von g = 0,52 ermittelt werden. Kollaboratives Lernen mit digitalen Geräten erhöht demnach die Produktivität, führt zu besseren Leistungen und erzeugt positivere Einstellungen bei den Lernenden.

Durch die Untersuchung der unterschiedlichen Alternativbedingungen konnte außerdem herausgefunden werden, dass Kollaboration mit digitalen Medien (egal ob mobil oder stationär) der Variante ohne digitale Medien überlegen ist. Ebenso ist sie individuellem Lernen mit mobiler Technologie überlegen.

Vor allem Lernende der Sekundarstufe und in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern haben Vorteile durch den Einsatz kollaborativen Lernens mit mobilen digitalen Geräten.

Die weitere Untersuchung der verschiedenen Moderatoren ist nicht sehr belastbar. Es ist aber zu vermuten, dass kollaboratives Lernen mit mobilen digitalen Geräten unter ganz unterschiedlichen Bedingungen lernwirksam sein kann. Es gibt verschiedene Untersuchungen zum Einsatz digitaler Medien sowohl für kollaboratives als auch kooperatives Lernen. Dabei können digitale Medien sowohl als Werkzeug zum Transportieren von Inhalten dienen als auch selbst Bestandteil der Kommunikation sein.

Bornemann formuliert Empfehlungen zur Gestaltung digitaler Medien zur Unterstützung des Lernprozesses. Demnach sei es Aufgabe der Lehrkräfte „möglichst multimodale, interessante und kommunikationsorientierte Umgebungen zu schaffen, welche subjektive Erfahrungsbereiche ansprechen und pragmatisch, interaktiv und kreativ zum selbstorganisierten Lernen einladen“ (Bornemann, 2012).

Einsatzmöglichkeiten digitaler Medien

  • Strukturierung und Dokumentation des eigenen Lernprozesses

  • Darstellung des eigenen Lernerfolgs in einem Portfolio

  • kollaborativer Einsatz von Lerntools (auch netzbasiert)

  • Unterstützung bei Termin- und Materialmanagement der Arbeitsgruppen

  • Recherche und Abruf der Informationen von überall

  • Lernen zum gezielten Einsatz bestimmter computerbasierter Hilfstools

Er nennt zwei wichtige Regeln zur Kollaboration, die für Lernende während des Lernprozesses handlungsleitend sein sollen:

  1. Ich bin gut, wenn ich mein Wissen mit den anderen teile.

  2. Ich lerne dadurch, dass ich mit anderen über die Aufgaben spreche.

Studie 4

4 Warum sollte man sich über Lernprozesse austauschen?

Studie zu kooperativem Lernen in Mathematik (Johnson & Johnson, 1990)

Ergebnisse dieser Studie

  • Entwicklung einer positiven Einstellung zur Mathematik

  • Vertrauen in die eigene Fähigkeit

  • Förderung der Bereitschaft neue Lösungsstrategien auszuprobieren

  • Entwicklung von Frustrationstoleranz

  • besserer Umgang mit Misserfolgen

Die empirischen Untersuchungen von Johnson und Johnson (Johnson und Johnson 1990, S. 113) in Bezug auf das Fach Mathematik lieferten bedeutende Ergebnisse zur Wirksamkeit des kooperativen Lernens bei Schülerinnen und Schüler.

Demnach entwickeln Schüler eine positivere Einstellung zur Mathematik und zum jeweiligen Lerninhalt. Außerdem gewinnen Lernende mehr Selbstvertrauen in Bezug auf mathematische Denkweisen. Nicht zuletzt dadurch sind sie eher bereit, verschiedene neue Lösungsstrategien auszuprobieren. Insgesamt entwickeln die Lernenden eher die Fähigkeit, Frustrationen zu bewältigen und ein besseres Durchhaltevermögen zu zeigen. Misserfolge werden durch kooperative Lernformen eher auf das Anwenden falscher Strategien als auf eigene Inkompetenz zurückgeführt.

Studie 5

5 Warum sollten Lernende sich gegenseitig Rückmeldung geben?

Einflussfaktoren von Peer Assessment

Ergebnisse dieser Studie

  • positive Auswirkungen von Peer Assessment auf die Leistung der Lernenden

  • positiver Effekt über verschiedene Altersstufen, Fächer und weitere Bedingungen hinweg

  • Peer Assessment ist in vielfältiger Form im Unterricht einsetzbar und wirksam

Insgesamt kommt die Metaanalyse „The impact of peer assessment on academic performance: A meta-analysis of control group studies“ von Double et. al. zu einem signifikanten positiven Gesamteffekt von g = 0.31. Double und Kolleginnen und Kollegen haben mit dieser Studie Peer Assessment für den Lernerfolg systematisch und verlässlich untersucht (Dochy et al., 1999; Topping, 1998).

Mehr als 60 % der Lernenden, die mit Peer Assessment gearbeitet haben, zeigten eine bessere Lernleistung als der Durchschnitt der Kontrollgruppe ohne Assessment oder mit anderen Formen des Assessments. Laut dieser Untersuchung kann davon ausgegangen werden, dass der positive Effekt von Peer Assessment auf verschiedene Kontexte (z. B. Schulstufen) verallgemeinert werden kann und sich positiv auf die Leistung der Lernenden auswirkt.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass Peer Assessment eine lernförderliche Ergänzung für den Unterricht darstellen kann. Peer Assessment ermöglicht Lernenden die kritische Auseinandersetzung mit dem Lerninhalt und die Reflektion eigener Leistungen. Peer Assessment hat auf die Leistung über verschiedene Altersstufen, Fächer und weitere Bedingungen hinweg einen positiven Effekt. Peer Assessment kann basierend auf diesen Ergebnissen in vielfältiger Form wirksam im Unterricht seinen Platz finden.

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