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Heftführung

Das Thema „digitale Heftführung“erweist sich als unglaublich spannend, zieht jedoch nicht ohne Grund ausschweifende Diskussionen nach sich. Grundsätzliche Fragen des Lehrens und Lernens werden durch die Verwendung digitaler Hefte tangiert. Das digitale Heft als reinen Ersatz zum analogen Heft zu sehen, scheint keinesfalls die richtige Antwort zu sein. Bisher fehlen fundierte Erkenntnisse im Hinblick auf digitale Hefte und die damit verbundene Nutzung von Notizen-Apps. Daher lohnt es sich Erfahrungen zu sammeln, sich in der Fachschaft oder im gesamten Kollegium auszutauschen und gemeinsame Konzepte für die Praxis zu entwickeln.

Aus dem Unterricht
  • Das digitale Heft unterstützt die Veranschaulichung von Lerngegenständen

    “Im digitalen Heft kann ich Unterrichtsinhalte sehr anschaulich darstellen (lassen). Meine Schülerinnen und Schüler können Bilder und Darstellungen, welche sie selbst oder mit Hilfe anderer Apps produziert haben, in ihre Hefteinträge einbinden. In den Naturwissenschaften kann man beispielsweise Beobachtungen aus Experimenten den Hefteintrag einfügen. Eingebunden als digitales Protokoll kann der Versuch so deutlich besser nachvollzogen werden.”

  • Übersichtlichkeit und Struktur erleichtert den Unterrichtsalltag.

    „Die Übersichtlichkeit und Struktur eines digitalen Hefts erleichtert meinen Unterrichtsalltag als Lehrkraft und den meiner Lernenden. Als Lehrkraft schätze ich, dass ich immer alles auf Anhieb und an einem Ort parat habe. Ich weiß genau, wie weit ich in der letzten Stunde gekommen bin. Die verbindliche Struktur gibt mir eine klare Übersicht über Lerninhalte, sowohl über vergangene als auch über zukünftige. Vor Leistungsnachweisen beispielsweise kann ich damit schnell auf Gelerntes zurückgreifen und Themen wiederholen. Abwesende Schülerinnen und Schüler sehen direkt, welcher Stoff behandelt wurde, und können diesen nacharbeiten.”

  • Die Unterrichtszeit wird effizient genutzt.

    „Das digitale Heft erleichtert die Bearbeitung von Materialien und ermöglicht die unkomplizierte Überarbeitung der Arbeitsprodukte, welche die Lernenden erstellt haben. Meine Schülerinnen und Schüler können Übungen und Arbeitsblätter digital ergänzen und verbessern. Das zeitintensive Abschreiben ganzer Sätze ist nicht mehr zwingend notwendig. Tabellen müssen nicht mit dem Lineal feinsäuberlich gezeichnet werden, sondern sind in Windeseile erstellt. Eigene Texte können die Lernenden schnell und sauber überarbeiten. Auch handschriftliche Texte können ganz einfach hin- und hergeschoben werden. Screenshots können mit weiteren Materialien, handschriftlichen Notizen oder eingesprochenen Kommentaren zügig kombiniert werden.”

  • Passgenaues Material unterstützt den Unterricht.

    “Seit ich das digitale Heft nutze, kann ich mit nur wenig Aufwand meine Übungen genauer auf die Unterrichtssituation und meine Lernenden zuschneiden. Häufig verwende ich dafür einfach bereits bestehende Materialien und passe sie an die Inhalte meines Unterrichts an. Die verschiedenen Medien lassen sich alle im digitalen Heft vereinen.”

  • Leichte Verknüpfung unterschiedlicher Medien.

    “Für meine Schülerinnen und Schüler ist es ein großer Vorteil, dass sich vielfältige Medien schnell und unkompliziert im digitalen Heft einbinden lassen. Je nach Notizen-App können ergänzende Quellen, Audio- und Videodateien direkt in das digitale Heft eingepflegt oder alternativ über eingebettete Links aufgerufen und gegebenenfalls weiter bearbeitet werden.”

  • Kollaboratives und kooperatives Arbeiten bereichert den Unterricht.

    “Der Einsatz von digitalen Heften bietet vielfältige Möglichkeiten, die Zusammenarbeit zwischen Lernenden zu fördern. Zahlreiche Notizen-Apps machen es möglich, gleichzeitig Ideen zu sammeln, gemeinsam Grafiken zu gestalten, Texte zu verfassen oder Ergebnisse zu sichern. Meine Schülerinnen und Schüler profitieren von den Ideen ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler und erhalten neue Impulse für das eigene Denken.”

  • Mehr Möglichkeiten für Feedback.

    “Besonders die direkte Korrektur mehrerer Schülerlösung hilft meiner Klasse dabei, ihre Fehler besser zu erkennen und von meiner Korrektur zu profitieren. Ich erstelle häufig kleinschrittige Lösungen, die die Lernenden zur Selbstkorrektur ihrer Übungen verwenden. Als besonders hilfreich empfinden sie meine kurzen Audiokommentare zu ihren Hausaufgaben.”

  • Individualisierung.

    “Mit dem digitalen Heft können Lehrkräfte dem Prinzip der Individualisierung gerecht werden. Die Schülerinnen und Schüler haben die Möglichkeit, innerhalb eines vorgegebenen Rahmens die Gestaltung von Inhalten des digitalen Hefts zu personalisieren und so für sie verständlicher zu machen. Falls notwendig, können zusätzliche Hilfen, Materialien oder grafische Elemente problemlos ergänzt werden. Ebenso kann ich meine Unterrichtsmaterialien individuell gestalten und schnell an die Lernenden anpassen.”

Die Heftführung im 1:1-Setting neu gedacht

„Dürfen wir auf dem Tablet mitschreiben?“ Dies ist üblicherweise eine der ersten Fragen, die Schülerinnen und Schüler an die Lehrkraft richten, wenn sie mit Tablets am Unterricht teilnehmen. Diese Frage ist jedoch nicht mit einem einfachen „Ja!” zu beantworten, folgende Fragen müssen im Vorfeld geklärt sein:

  • Ist eine digitale Heftführung in dieser Jahrgangsstufe erlaubt? Gibt es gemeinsame Absprachen?

  • Hatten die Lernenden bereits eine allgemeine Einführung in digitale Heftführung?

  • Wird eine einheitliche Notizen-App verwendet? Wurde diese technisch eingeführt?

In der Primarstufe und in der Unterstufe der Sekundarstufe müssen die Grundlegenden Fertigkeiten für eine gelingende analoge Heftführung gelegt werden. Ein sinnvoller Zeitpunkt zur Einführung und Schulung einer digitalen Heftführung hängt hingegen stark von den Voraussetzungen der Schule ab. Generell gilt es, sehr kleine Schreibflächen (geteilter Bildschirm) und ein häufiges Wechseln von Anwendungen auf den Geräten zu vermeiden; somit muss eine digitale Heftführung immer in Kombination mit der Verwendung digitaler Bücher gedacht werden. Soll auch nur eine partielle digitale Heftführung in einer Schule ermöglicht werden, so hat sich in der Praxis eine Einführung in einer gemeinsam festgelegten Jahrgangsstufe bewährt. Nach dieser einführenden Jahrgangsstufe können verschiedene schulische Konzepte anknüpfen, die beispielsweise damit enden, dass in der Abschlussklasse oder der Oberstufe die Heftführung den Lernenden in einem gewissen Rahmen freigestellt ist.

Der reine Ersatz des analogen Heftes greift in jedem Fall zu kurz. Eine digitale Unterrichtsdokumentation in Kombination mit der Verwendung einer Lernplattform (Dateienablage) kann neue, ungeahnte Möglichkeiten des Lernens eröffnen und damit eine gewinnbringende Weiterentwicklung des analogen Hefts darstellen. Potenziale für den Mathematikunterricht eröffnen sich aber nur dann, wenn man sich bereits im Vorfeld mit möglichen Herausforderungen auseinandersetzt und diese bei der Einführung und Entwicklung einer digitalen Heftführung berücksichtigt.

  • Im Unterricht gibt es Situationen, wo eine analoge Heftführung weiterhin ihre Vorteile hat. Beispielsweise das haptische und genaue Arbeiten mit Zirkel und Lineal auf Papier ist eine grundlegende Fertigkeit, die es immer weiter zu entwickeln gilt.

    Beispielsweise bei der dynamischen Veranschaulichung von geometrischen und funktionalen Zusammenhängen ist das Abbilden nur in einem digitalen Heft möglich. Diese Zusammenhänge können in Form eines Videos, einer Animation oder einer interaktiven Anwendung (bzw. Link auf die Anwendung) eingefügt werden.

Somit sind beide Extreme für sich allein in keinem Fall optimal. Beide Möglichkeiten zu haben und diese als Lehrkraft zielgerichtet einsetzen zu können vereint die meisten Vorteile.

Sinnvolle Kombination analoger und digitaler Heftführung – Berichte aus der Praxis:

  • Wir verzichten bewusst auf eine digitale Dokumentation der Unterrichtsinhalte in den Jahrgangstufen 5 und 6. Zwar kann im Rahmen einzelner Unterrichtsprojekte eine Notizen-App genutzt werden, aber grundsätzlich dient das Tablet in diesen Jahrgangstufen als Ergänzung, beispielsweise für Übungsphasen. In der Jahrgangstufe 7 wird die digitale Heftführung systematisch von einer Lehrkraft eingeführt und begleitet.

  • Ich kombiniere in meinem Mathematikunterricht oft analoges und digitales Arbeiten. Meine Schülerinnen und Schüler sollen immer Notizen auf Papier anfertigen. Diese verschwinden nicht beim Öffnen einer anderen Anwendung und bieten einfach „mehr Platz zum Denken“. Am Ende fügen die Lernenden ein Foto ihrer Notizen bei der Aufgabe ein, denn der Zettel geht sicherlich verloren.

  • Uns ist eine klare Gliederung wichtig, damit die Lernenden sowie deren Eltern die Übersicht behalten. Merk- und Übungsheft sind bei uns analog und der frühere Schnellhefter wird durch eine Notizen-App ersetzt. Somit sparen wir viele Ausdrucke und können flexibel das nutzen, was im Unterricht gebraucht wird.

  • Wir begleiten die Lernenden besonders bei der Einführung in die neue Arbeitsweise. Dabei gehen wir auf den Speicherort der Notizen-App ein, das Einfügen von Inhalten aus der Lernplattform, das Teilen von Arbeitsergebnissen innerhalb der Klasse und den sinnvollen Umgang mit Zoomen. Nur in Ausnahmefällen sollte eine Schreibfläche stärker vergrößert werden als ein „normales“ Blatt Papier.

  • Ich kombiniere in meinem Mathematikunterricht oft analoges und digitales Arbeiten. Die Lernenden arbeiten in Gruppen und Lösen gemeinsam eine Aufgabe; z. B. das Auslegen von Flächen mit quadratischen Schwammtüchern. Jemand aus der Gruppe hält die Ergebnisse mit Fotos fest. Im digitalen Heft werden die Fotos noch kommentiert und das Arbeitsergebnis wird in der Gruppe geteilt, somit hat die ganze Gruppe ein gemeinsam erstelltes Endprodukt im digitalen Heft.

  • Bei sehr komplexen Aufgaben verlieren meine Schülerinnen und Schüler digital oft den Überblick, weil sie so viel scrollen müssen. Hier arbeite ich immer noch gerne mit einem Ausdruck und das Tablet wird für weitere Visualisierungen eingesetzt. Auf dem Ausdruck sind QR-Codes mit Hilfestellungen zu finden, damit die komplexe Aufgabe auch von Lernenden mit schlechteren Vorkenntnissen sinnvoll bearbeitet werden kann.

Eine digitale Heftführung bedeutet in keinem Fall, dass Texte oder Rechnungen nur mehr „getippt“ werden. Auch bei der digitalen Heftführung hat gerade in Mathematik die Handschrift weiterhin eine elementare Bedeutung. Auch Formeln und Sonderzeichen müssen nicht zeitraubend über Editoren eingegeben werden.

Potentiale des Einsatzes digitaler Hefte

Das didaktische Potenzial digitaler Hefte

Das 1:1-Setting schafft technische Voraussetzungen hinsichtlich der Ausstattung, Infrastruktur und Organisation, durch die sich das didaktische Potenzial der digitalen Heftführung entfalten kann:

Technische Voraussetzungen hinsichtlich der Ausstattung, Infrastruktur und Organisation

  • Einbindung eigener und externer Abbildungen

  • Integration von Audio, Video und externen Quellen per Link

  • Audiodateien zur Ergebnissicherung

  • Prozessabbildende Videodateien zur Ergebnissicherung

  • Ablegen von Ergebnisdateien eines Tabellenkalkulations-Programms

  • Einbinden und Kommentieren von Screenshots der Arbeitsergebnisse (z. B. mit Funktionsplottern oder Tabellenkalkulation)

  • Sicherung und Weiterverarbeitung von analogen Arbeitsergebnissen über Fotos

  • Abbildung und Bearbeitung dynamischer Anwendungen

  • Sammlung verschiedener Medien an einem Ort

  • Sofortige Verfügbarkeit aller Arbeitsergebnisse des Schuljahres bzw. sogar vergangener Schuljahre

  • Erleichterung von Wiederholung und Nachbereitung durch eine klare Gliederung

  • Eine Bearbeitung und Markierung von Inhalten aller Art

  • Einfache Ergänzung von Hilfsmaterialien (z. B. Videos, Fotos von Zwischenergebnissen oder Anleitungen, Tipps als Audios)

  • Sicherung von Arbeitsergebnissen mit einem Foto-Protokoll oder über Screenshots

  • Schnellere Bearbeitung und Überarbeitung von Inhalten

  • Verschiebung und Bearbeitung auch von handschriftlichen Notizen

  • Einfaches Hinzufügen und Entfernen von Markierungen

  • Effiziente Verteilung und Einbindung von Arbeitsmaterialien

  • Schnelle Ergebnissicherung in Form von Screenshots, über Audio oder sogar Videoaufnahmen

  • Leichte Vorstellung und Verteilung von Arbeitsergebnissen im Klassenverband

  • Gemeinsames Erstellen und Bearbeiten von Inhalten in Echtzeit

  • Arbeitsteilung bei der Erstellung von Inhalten und leichte Zusammenführung der Arbeitsergebnisse

  • Nebeneinanderstellen von Original- und Korrekturfassung

  • Chronologische Fehlerlisten und Audio-Feedback zur Verbesserung der Leistung

Schaffung von Rahmenbedingungen

rotz der Tatsache, dass einige Lernende von Anfang an recht geschickt im Umgang mit digitalen Heften sind und die Umstellung vom analogen zum digitalen Format offenbar mühelos meistern, ist es dennoch unerlässlich, die Schülerinnen und Schüler von Anfang an konsequent zu begleiten, anzuleiten und zu instruieren.

Es ist sinnvoll, dass sich Lehrkräfte – idealerweise in Absprache mit den Fachschaften oder dem gesamten Kollegium – im Vorfeld Gedanken darüber machen, welche verbindlichen Strukturen und Nutzungsrichtlinien erforderlich sind. Zudem sollten sie überlegen, wie die Begleitung der Lernenden gestaltet werden kann, damit eine effektive und lernförderliche Heftführung im 1:1-Setting gelingt. In diesem Zusammenhang spielt auch ein durchdachtes Schulungskonzept eine entscheidende Rolle.

  • Strukturen

    Zusammen mit den Lernenden sollte eine verbindliche Grobstruktur für alle Fächer erstellt werden. Die Schülerinnen und Schüler benötigen eine Gesamtübersicht über alle Fächer und Themen ihrer Jahrgangsstufe. Zudem ist eine Strukturierung auf Fächerebene wichtig, wobei je nach Fach unterschiedliche Unterstrukturen entstehen können. Bei der Entwicklung dieser Vorgaben sollte zudem berücksichtigt werden, ob ein einheitliches oder offenes Konzept verfolgt wird oder ob eine Notizen-App lediglich zur Unterstützung des Unterrichts dient.

  • Schulungskonzept

    Um die Vorgaben hinsichtlich der Struktur und Nutzung digitaler Hefte zu vermitteln, empfiehlt sich ein Schulungskonzept für die Lernenden.

    Die Schülerinnen und Schüler erhalten dabei Unterstützung bei der Einrichtung des digitalen Hefts und lernen die Möglichkeiten der digitalen Heftführung kennen. Dabei sind je nach Jahrgangsstufe die unterschiedlich stark ausgeprägten Niveaus der Medienkompetenz zu berücksichtigen. Die vereinbarten Nutzungsrichtlinien können mit der Schulung verbindlich eingeführt werden.


  • Begleitung

    Zur Verbesserung der digitalen Heftführung ist eine kontinuierliche und altersgemäße Begleitung der Lernenden durch die Lehrkraft notwendig. Die Intensität der Begleitung sollte sich am Kompetenzniveau der Schülerinnen und Schüler orientieren.

    Für die Nutzung des digitalen Hefts sollten auch, orientiert an der gewählten Umsetzungsvariante, klare Vorgaben erarbeitet und an die Lernenden sowie Erziehungsberechtigten kommuniziert werden. Diese sind an pädagogische, didaktische und fachspezifische Bedürfnisse anzupassen.

  • Tipps zum Einstieg in die neue Arbeitsweise:

    • Anweisungen zum Workflow in den Arbeitsauftrag integrieren.

    • Zeit für die neuen Arbeitsschritte einplanen.

    • Dateien bei der Bereitstellung systematisch benennen.

    • Ablage zu Beginn regelmäßig kontrollieren.

    • Schülerinnen und Schüler sich gegenseitig helfen lassen.

Kontroverse Themen

Kontroverse Themen der digitalen Heftführung

Damit das digitale Heft lernwirksam genutzt werden kann und sich sein Potenzial voll entfalten kann, müssen sich Lehrkräfte auch mit möglichen Stolpersteinen beschäftigen, die sich im Zuge der digitalen Heftführung ergeben können

  • „Wenn die Schülerinnen und Schüler die Unterrichtsinhalte nicht selbst abschreiben und stattdessen alles abfotografieren und kopieren, lernen sie am Ende nichts!“

    Auch bei der digitalen Heftführung ist es wichtig, die aktive Auseinandersetzung mit den Inhalten des Unterrichts zu fördern. Einerseits ist das schlichte Abfotografieren von Tafelbildern, das Kopieren von Notizen oder die zu starke Vorstrukturierung wenig lernwirksam. Andererseits bedeutet das nicht, dass das Abfotografieren oder Bereitstellen von Tafelbildern automatisch dazu führt, dass sich die Schülerinnen und Schüler Unterrichtsinhalte schlechter aneignen.  Die Lehrkraft sollte sich bei der Planung des Unterrichts und der Gestaltung der Materialien immer überlegen, wie eine verständnisfördernde Auseinandersetzung und Reflexion mit Unterrichtsmaterialien und -inhalten gelingen kann. Durch das Bilden von Analogien zu bereits bekannten Zusammenhängen, Verknüpfungen mit Alltagsbeispielen oder mit verwandten Inhalten, Fragen stellen oder das Zusammenfassen des neu Gelernten mittels Skizzen oder eigenen Worten wird der Lernstoff mit bereits bestehenden Wissensstrukturen verbunden.

  • „Wenn die Schülerinnen und Schüler Zirkel oder Geodreieck zugunsten des Tablets beiseitelegen, verlernen sie grundlegende instrumentelle Fertigkeiten!“

    Die technische Ausstattung im 1:1-Setting eröffnet den Schülerinnen und Schülern eine Vielzahl an Möglichkeiten, ihre Unterrichtsdokumentation ansprechend zu gestalten. Dabei sollte aber die Schulung grundlegender instrumenteller Fertigkeiten wie das Zeichnen, Messen oder Konstruieren nicht vergessen werden. Das digitale Heft kann hier als Ergänzung und nicht als vollständiger Ersatz der analogen Unterrichtdokumentation eingesetzt werden. So können beispielsweise geometrische Zeichnungen oder Prozesse mit klassischen Hilfsmitteln angefertigt und dann als Foto in das digitale Heft mit eingepflegt werden.

  • „Wenn jeder Text nur noch mit der Tastatur getippt wird, verlernen die Schülerinnen und Schüler das Schreiben mit der Hand und verarbeiten Informationen schlechter!“

    Entscheidet man sich für die digitale Unterrichtsdokumentation, rückt die Frage nach dem Nutzen der Handschrift im Vergleich zum Tastaturschreiben automatisch in den Vordergrund. Auf der einen Seite sollte das Schreiben mit der Hand nicht nur aus pragmatischen Gründen, sondern als Kulturtechnik oder ökonomisches Werkzeug in der Schule vermittelt werden. Außerdem spielt das Handschreiben bei der Entwicklung kognitiver Fertigkeiten eine wichtige Rolle. Auf der anderen Seite können insbesondere die Lernenden, die Schwächen beim Handschreiben aufweisen, von der Nutzung einer Tastatur profitieren, vor allem, wenn sie längere Texte verfassen müssen. Die Wahl zwischen Hand- und Tastaturschreiben im digitalen Klassenzimmer ist letztlich keine Entweder-oder-Frage. Vielmehr sollten Lehrkräfte situationsabhängig entscheiden, welche Technik für die Lernenden und das Lernziel am gewinnbringendsten ist. Es ist dabei sinnvoll, den Schülerinnen und Schülern bewusst zu machen, welche Vor- und Nachteile die jeweilige Art der Mitschrift für das konkrete Beispiel hat. Diese Art der Reflexion auf der Metaebene hilft beim Aufbau von Medienkompetenz.

  • „Wenn alle Materialen im digitalen Heft gespeichert werden, entsteht eine Unordnung, die den Schülerinnen und Schülern das Lernen erschwert!“

    Die digitale Heftführung macht es möglich, den Schülerinnen und Schülern eine Vielzahl an Materialien zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus können die Lernenden ihre Unterrichtsdokumentation mit zusätzlichen Inhalten ergänzen. Auf diese Weise kann das digitale Heft jedoch schnell mit Unterlagen überfrachtet und unübersichtlich werden. Es ist daher wichtig, dass die Lehrkraft bei der Nutzung des digitalen Hefts auf eine klare Strukturierung achtet und den (individuellen) Nutzen der bereitgestellten Unterlagen und verwendeten Apps für die Schülerinnen und Schüler stets kritisch hinterfragt. Die Lehrkraft ist außerdem dafür verantwortlich, die Lernenden beim Anlegen von Strukturen altersgemäß anzuleiten und zu begleiten.

  • „Wenn parallel zur Lernplattform ein digitales Heft geführt wird, verlieren sowohl Lehrkräfte als auch Lernende die Übersicht!“

    Wird bei der digitalen Heftführung parallel mit einer Lernplattform gearbeitet, ist es wichtig, dass die Lehrkraft für ihren Bereich eine geeignete Struktur findet, die ein effizientes Zusammenspiel ermöglicht. In der ersten Unterrichtsstunde sollte mindestens geklärt sein, wo und in welcher Form (z. B. als PDF) Dateien abgegeben und bereitgestellt werden. Eine einheitliche Nomenklatur für Dateien (z. B. HA29.01Musterschülerin) kann hilfreich sein. Es empfiehlt sich, den Prozess der Dateiabgabe und Einbindung ins Heft in der ersten Unterrichtseinheit gemeinsam zu üben.

  • „Wenn der Unterricht digital dokumentiert wird, besteht die Gefahr, dass Inhalte für die Schülerinnen und Schüler verloren gehen oder die Speicherkapazitäten nicht ausreichen!“

    Anders als beim analogen Heft, das am Ende des Schuljahres im Schrank verstaut und aufgehoben werden kann, muss man für das digitale Heft Archivierungsstrategien und Löschroutinen entwickeln und diese den Schülerinnen und Schülern vermitteln. Ein regelmäßiges Backup der Hefte (Gesamtexport aller Mitschriften, idealerweise einmal pro Woche) sollte Standard sein. Ergänzend dazu empfiehlt sich eine Absprache im Klassenteam der Lehrkräfte. Zum Schuljahresende hin sollte ein Gesamtexport inklusive sinnvoller Archivierung erfolgen.

  • „Wenn Unterrichtsinhalte digital festgehalten werden, können Hefte nicht mehr so gut kontrolliert werden!“

    Mit dem digitalen Heft ist das Einsammeln von Heften zur Kontrolle durch die Lehrkraft in seiner klassischen Form nicht mehr möglich. Gleichzeitig eröffnen sich dadurch aber neue und effiziente Möglichkeiten, wie man die Produkte der Lernenden einsehen, verbessern und kommentieren kann. Dabei sollte man sich zunächst grundsätzlich die Frage stellen, welchen Zweck die Kontrolle der Hefte haben soll und ob es überhaupt immer nötig ist, Hefte in ihrer Gänze einzusehen. Daran anknüpfend muss man sich dann überlegen, wie sich die Durchsicht, abhängig von den Möglichkeiten der genutzten Notizen-App, organisieren lässt. Wenn die Lehrkraft nicht ohnehin schon den direkten Zugriff auf die digitalen Hefte der Lernenden hat, wäre beispielsweise denkbar, dass die Schülerinnen und Schüler einzelne Inhalte exportieren oder Screenshots anfertigen, die sie dann auf eine Lernplattform laden oder der Lehrkraft zuschicken.

  • „Wenn die Unterrichtsdokumentation vom klassischen Heft-Format abweicht, müssen die Lernenden umständlich zoomen!“

    Das digitale Heft macht es den Lehrkräften und Lernenden je nach genutzter Notizen-App möglich, sich bei der Unterrichtsdokumentation entweder ganz vom klassischen DIN A4-Format zu lösen oder vorgegebene Seiten stark zu vergrößern, sodass mehr Inhalte dokumentiert werden können. Dadurch entsteht aber die Gefahr, dass der Überblick verloren geht und die Schülerinnen und Schüler die wesentlichen Informationen nicht mehr auf einen Blick erkennen können. Bei der Erstellung der Hefteinträge sollte die Lehrkraft also immer das Endprodukt bedenken und den Fokus der Lernenden darauf lenken. Die Mitschriften sollten so gestaltet werden, dass extremes Zoomen vermieden wird und die Schülerinnen und Schüler bei der Gestaltung altersgerecht angeleitet werden. Je nach Umfang und Komplexität des Unterrichtsgegenstandes kann es beispielsweise auch sinnvoll sein, auf eine digitale Dokumentation zu verzichten und die Inhalte stattdessen analog festzuhalten.

  • „Wenn im 1:1-Setting auch noch das Heft nicht mehr analog geführt wird, müssen die Schülerinnen und Schüler zu viele digitale Medien parallel benutzen!“

    Das digitale Klassenzimmer macht es möglich, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Tablet vielseitig einsetzen und damit eine Vielzahl an Unterrichtsmaterialien ersetzen können. Wird das Tablet aber beispielweise gleichzeitig als Buch, Heft und Audioquelle genutzt, kann das die Lernenden schnell überfordern. Die Lehrkraft muss deshalb bei der Konzeption des Unterrichts darauf achten, dass die Schülerinnen und Schüler nicht mit zu vielen aktiven Fenstern arbeiten müssen. So können die Lernenden bestimmte Aufgaben etwa in Partner- oder Gruppenarbeit gemeinsam bearbeiten und dabei ein Gerät als Buch nutzen und mit einem anderen ihre Ergebnisse dokumentieren. Im Anschluss können die Mitschriften geteilt werden.

Aus der Praxis

Strukturvorschläge

  • Beispiel Mathematik 1/3

    In Mathematik bietet sich eine Gliederung nach Lehrplaninhalten gut an. Der Einsatz von Übungsblättern und eine lose Ablage als Notizen birgt aber die Gefahr, dass wichtige Hefteinträge und Übungen sich vermischen.

  • Beispiel Mathematik 2/3

    Daher bietet es sich an, für Hefteinträge einen eigenen Bereich zu erstellen und Übungen sowie Übungsblätter in einem anderen Ordner des Lehrplaninhaltes zu sammeln. Dazu kann man sich überlegen, ob die Hefteinträge als einzelne Notiz abgelegt werden, wie hier dargestellt.

  • Beispiel Mathematik 3/3

    Sie können aber auch fortlaufend an die vorhergehende Notiz angehängt werden. Dadurch entsteht für jeden Themenbereich ein eigenes „Heft”.

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